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Interview mit Autorin Kate Tarker und Regisseurin Lily Sykes von "Montag": A shit load of adrenaline

Sarah Sandeh, Swana Rode bei

Es ist gleich soweit: Eine der laut dem Kulturguide „Time Out“ aufregendsten Uraufführungen des  Herbstes 2022 am New Yorker Off-Broadway kommt endlich nach Karlsruhe! Die deutschsprachige Erstaufführung von Montag, dem neuen Stück der US-amerikanischen Autorin Kate Tarker, eröffnet in der Regie von Lily Sykes die Spielzeit im KLEINEN HAUS. Dramaturg Eivind Haugland sprach vor Probenbeginn mit den beiden Theatermacherinnen.

Eivind Haugland: Kate, die Handlung in deinem Stück findet auf einem amerikanischen Militärstützpunkt in Deutschland statt, wo die eine Hauptfigur, Faith, als IT-Expertin arbeitet. Deine Mutter hat dasselbe getan und du bist selbst in Deutschland aufgewachsen. Inwieweit ist Montag ein autobiografisches Stück?

Kate Tarker: Montag ist sowohl eine fiktionale als auch eine sehr persönliche Geschichte. Ich versuche mit dem Stück zu greifen, wie Menschen, Situationen und Erfahrungen aus meiner Kindheit, die sich gleichzeitig auf dem US-Stützpunkt und in einer deutschen Kleinstadt entfaltete, mich als junge Frau zwischen zwei Kulturen und Sprachen prägten. Ich kann dir gar nicht sagen, wie aufgeregt ich bin, dass diese Inszenierung nur eine Stunde von dem Ort entfernt entsteht, wo ich aufgewachsen bin!

EH: Und wie schlägt sich diese interkulturelle und bilinguale Kindheit genau in deinem Schreiben nieder?

KT: Das Aufwachsen zwischen den Kulturen und Sprachen ist der Grund, warum ich Autorin geworden bin, keine Frage. Es zwingt einen dazu, Dinge zu hinterfragen, und leider kann es auch dazu führen, dass man das Gefühl hat, nie ganz zu einem Ort zu gehören. Ich schreibe also, um diese Wunde zu untersuchen und um immer wieder Fragen über Zugehörigkeit, Nationalität, Identität und ja, auch Sprache zu stellen.

EH: Lily, als in Deutschland wohnhafte und künstlerisch tätige Britin, bewegst du dich ähnlich wie Kate seit vielen Jahren zwischen zwei Kulturen und Sprachen. Wie prägt das deine Arbeit als Regisseurin?

Lily Sykes: Ich arbeite viel mit Theatertexten aus dem englischsprachigen Raum, weil ich instinktiv ein besseres Verständnis für sie habe und auch dafür, wie sie sich ins Deutsche übertragen lassen. Im Englischen braucht man zum Beispiel immer dreimal so viel Wörter wie im Deutschen um das Gleiche zu sagen. Und während im Deutschen die Sprache als Ausdruck der Seele betrachtet wird, funktioniert sie im Englischen eher als Lüge, um die wahren Gefühle zu verbergen: „When I speak I lie”, heißt es dort. Das beeinflusst meine Regiearbeit sehr, weil ich immer auf der Suche nach dem Unausgesprochenem bin. So auch bei Montag: Die zwei weiblichen Hauptfiguren Faith und Novella bereiten sich gemeinsam darauf vor, sich gegen einen gewalttätigen Mann verteidigen zu müssen. Aber was ist alles zwischen ihnen selbst ungesagt? Wer ist der wirkliche Feind?

EH: Auch wenn Montag in Deutschland spielt, ist es aus einer amerikanischen Perspektive geschrieben. Was interessiert dich an dem Stück, Lily, und warum denkst du, dass es auch für ein deutsches Publikum relevant ist?

LS: Mich interessieren im Theater Darstellungen von weiblichen Freundschaften, ein Thema, das leider selten vorkommt; und wenn, dann konkurrieren sie meistens um die Gunst eines Mannes. In Montag gibt es zwar Beziehungen zu Männern, aber sie sind nicht vordergründig. Am wichtigsten ist das Verhältnis zwischen den beiden Frauen, in all seiner Komplexität. Und das vor dem Hintergrund einer militaristischen Kultur: Die Männer im Stück sind als Soldaten in einer Machokultur sozialisiert. Militarismus ist spätestens seit dem Ukraine-Krieg auch in Deutschland wieder ein Thema; genauso wie steigender Frauenhass als Backlash gegen weibliche Emanzipation. Ich frage mich, wie sich diese beiden Themen in den nächsten Jahren gegenseitig bedingen werden.

EH: Kate, wie würdest du dein Stück beschreiben? Ist es ein realistisches Stück oder lehnt es sich eher an eine Traumlogik an? Nachdem Faith und Novella sieben Tage ohne Schlaf im Keller durchgehalten haben, verwischen langsam die Grenzen zwischen Realität und Fantasie …

KT: Es ist beides. Mit der zunehmenden Müdigkeit wird es immer halluzinatorischer. In den USA gibt es eine starke Vorliebe für naturalistische Stücke und vor diesem Hintergrund habe ich dieses Stück geschrieben. Ich wollte, dass die Leute, die nur realistische Stücke mögen oder ihnen vertrauen, mit mir auf eine wilde Reise gehen.

EH: In einem Satz, was können wir uns denn von dieser wilden Reise in Karlsruhe erwarten, Lily?

LS: Einen skurrilen und komischen Thriller über zwei Frauen, einen geschlossenen Raum, sieben Tage Wachsein und a shit load of adrenalin!


MONTAG
von Kate Tarker
Deutsch von Cornelia Enger
DEUTSCHSPRACHIGE ERSTAUFFÜHRUNG
Premiere 29.9.23 KLEINES HAUS