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Badisches Tagblatt, Georg Patzer, 10.5.2014

Heyme, der vor 50 Jahren als Assistent in Karlsruhe seine erste Inszenierung vorlegte, zeigt trotz vorsichtiger Modernisierung den historischen Abstand der Figuren … Dem Pathos Kaisers setzt er wohltuende Strenge und, besonders in „Gas I“, ironische Brechungen und Anflüge von Humor entgegen. Andrej Kaminsky als überidealistischer Milliardärsohn erhält so grotesk-komische Züge, Jan Andreesen ist ihm als wendiger Ingenieur ein genau gezeichneter Gegenspieler … Wie Heyme das in vielen anonymen Rollen beschäftigte Ensemble führt, nötigt Respekt ab. Strenge der Form und sprachliche Genauigkeit prägen die Aufführung …


Badische Neueste Nachrichten, Andreas Jüttner, 10.5.2014

Der Text ist fast 100 Jahre alt, aber stellenweise wirkt er wie eine brandaktuelle Satire auf die Folgen der Atomkatastrophe von Fukushima: Eine Fabrik zur Gewinnung von Energie ist in die Luft geflogen, es gab zahlreiche Tote, im ersten Schock wird über einen Ausstieg nachgedacht, aber die dafür nötige Umrüstung ist den Wirtschaftsbossen zu teuer. …

Nun erlebte der Abend „Gas I & II“ in der Regie von Piscators einstigem Assistenten, dem auch mit 78 Jahren noch äußerst rührigen Hansgünther Heyme, seine Premiere am Staatstheater Karlsruhe. Wie kurz die Brücke ist, die sich anlässlich dieses Textes zwischen jener Zeit und unserer Gegenwart schlagen lässt, ist der frappierendste und verstörendste Eindruck dieses Abends, der mit knapp drei Stunden freilich viel Zuschauergeduld beansprucht. …

Im Mittelpunkt steht die Sprache zwischen expressionistischen Eruptionen („weiße Katze gesprungen – rote Augen gerissen – gelbes Maul gesperrt – buckelt knisternden Rücken“ wird die Explosion beschrieben) und dem knappen Stil der Telegramme jener Zeit („Sichtglas zeigt Färbung“ oder „Aus bleibt Antwort“). … Jene in die faschistischen Großinszenierungen mündende Überwältigungsästhetik will die Aufführung verweigern … Ein bereicherndes Ausloten der Facetten von Kaisers heute unfreiwillig komisch wirkender Sprache zeigt lediglich der als Gast engagierte Andrej Kaminsky in „Gas I“ als philanthropischer Milliardärssohn, der als Fabrikbesitzer der Illusion erliegt, als Gleicher unter Gleichen die Arbeiter für eine naive Naturidylle begeistern zu können.


Frankfurter Rundschau, Judith von Sternburg, 13.5.2014

… Bei der Premiere von „Gas I & II“ bei den Ruhrfestspielen in Recklinghausen vor einem Jahr fühlten sich Kritiker an die Reaktorkatastrophe von Fukushima erinnert. Dieser Tage, bei der Premiere der Koproduktion am Staatstheater Karlsruhe, noch dazu als Eröffnung der 22. „Europäischen Kulturtage“, ist die Abhängigkeit vom Gas eines einzigen Produzenten ein grotesk konkreter Kommentar zur Haltung der EU gegenüber Putins Politik.

… Regisseur Hansgünther Heyme sucht dabei keinen, zumindest wenig Anschluss ans Heute, lässt mit einem Teil der Kostüme (Ausstattung: Sebastian Hannak) Zwischenkriegszeit signalisieren. Das hat große Vorteile, überlässt es doch den unheimlich offenkundigen Transfer dem Zuschauer. Zugleich ist das jenseits der Antagonisten ein seltsam temperamentloser Versuch, einen expressionistischen Theaterabend zu revitalisieren.

… Der Sprache, die gut und interessiert transportiert wird, stehen zu viele zu harmlose Bilder gegenüber. Natürlich bleibt einem Theater ohne 300 Statisten wenig anderes übrig, aber hier wirkt das zu beiläufig und undramatisch geregelt: Die Massen toben draußen vor der Tür, auf der Bühne fehlt der Minimenge meist die letzte Straffheit. So imposant die Setzung ist, auf technische Hilfe (Videos) zu verzichten, so halbgar das Ergebnis. Immer heikel, hinter der Wucht eines Textes zu weit zurückzubleiben.


Recklinghäuser Zeitung, Bernd Aulich, 11.5.2013

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Den in den Zwanzigern vielgespielten expressionistischen Zwillings-Stücken hat Altmeister Hansgünther Heyme neues Leben eingehaucht. Die gut dreistündige Aufführung im Ruhrfestspielhaus strotzt vor beklemmender Brisanz. Heyme ist eine Sternstunde packenden politischen Theaters geglückt. Er hat Kaisers Menschheitsdrama mit dem wuchtigen Pathos seiner verknappten expressionistischen Sprache raffiniert stilisiert und rhythmisiert - Heute sorgt Theater nicht alle Tage für so reichlich Gesprächsstoff wie Heymes Reanimation.
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Als die Gasfabrik in die Luft fliegt, beschwört der Milliardärsohn mit Kaminskys pathetischer Gestik die orientierungslosen Überlebenden zur Umkehr. Doch von dessen Zivilisationsflucht wollen die versklavten Arbeiter nichts wissen. Wie einen Gekreuzigten steinigen sie ihren Erlöser, um sich dem gerade noch als Sündenbock verfemten Ingenieur als neuem Führer anzuschließen. Es scheint, als hätte Kaiser die Verführungsmacht der Nazi-Diktatur vorausgeahnt.


Nachtkritik.de, Sascha Westphal, 9.5.2013

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Diese demonstrative Hinwendung zum Text, der auch heute, beinahe 100 Jahre später, immer noch erstaunlich modern wirkt, und das Insistieren auf dessen ebenso sperriger wie poetischer Sprache haben durchaus ihren Reiz.
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Badische Neueste Nachrichten, 10.5.2014

Der Text ist fast 100 Jahre alt, aber stellenweise wirkt er wie eine brandaktuelle Satire auf die Folgen der Atomkatastrophe von Fukushima: Eine Fabrik zur Gewinnung von Energie ist in die Luft geflogen, es gab zahlreiche Tote, im ersten Schock wird über einen Ausstieg nachgedacht, aber die dafür nötige Umrüstung ist den Wirtschaftsbossen zu teuer. …
Nun erlebte der Abend „Gas I & II“ in der Regie von Piscators einstigem Assistenten, dem auch mit 78 Jahren noch äußerst rührigen Hansgünther Heyme, seine Premiere am Staatstheater Karlsruhe. Wie kurz die Brücke ist, die sich anlässlich dieses Textes zwischen jener Zeit und unserer Gegenwart schlagen lässt, ist der frappierendste und verstörendste Eindruck dieses Abends, der mit knapp drei Stunden freilich viel Zuschauergeduld beansprucht. …

Im Mittelpunkt steht die Sprache zwischen expressionistischen Eruptionen („weiße Katze gesprungen – rote Augen gerissen – gelbes Maul gesperrt – buckelt knisternden Rücken“ wird die Explosion beschrieben) und dem knappen Stil der Telegramme jener Zeit („Sichtglas zeigt Färbung“ oder „Aus bleibt Antwort“). … Jene in die faschistischen Großinszenierungen mündende Überwältigungsästhetik will die Aufführung verweigern … Ein bereicherndes Ausloten der Facetten von Kaisers heute unfreiwillig komisch wirkender Sprache zeigt lediglich der als Gast engagierte Andrej Kaminsky in „Gas I“ als philanthropischer Milliardärssohn, der als Fabrikbesitzer der Illusion erliegt, als Gleicher unter Gleichen die Arbeiter für eine naive Naturidylle begeistern zu können.


Die Rheinpfalz, Dietrich Wappler, 7.5.2013

... Für Heyme besitzt das auf den Bühnen weitgehend vergessene Stück eine hohe Aktualität. „Wir spielen mit apokalyptischen Bildern“, sagt er, „ein komplexes Material, das etwas zu sagen hat zu unserer Zeit.“ Giftgas zum Beispiel, das im Ersten Weltkrieg Hunderttausende umbrachte und gerade wieder in Syrien zum Einsatz kam, sei ein Thema von „zentralster Wichtigkeit für uns heute“.

Mit Kaisers Stück verbindet den 77 Jahre alten Regisseur eine lange Geschichte. Erwin Piscator, dessen Assistent Heyme in den 50er Jahren war, hat „Gas“ inszeniert. „Immer schon wollte ich dieses Stück machen“, bekennt er heute. Mit Ernst Tollers „Hinkemann“ hat er 1958 immerhin ein anderes expressionistisches Drama auf die Bühne gebracht. Für Kaisers „Gas“ aber fand sich nie eine Gelegenheit.
Da kam ihm das Angebot aus Karlsruhe natürlich mehr als gelegen. Und dass Heyme mit der Premiere nun nach Recklinghausen zurückkehrt, wo er von 1990 bis 2003 die Ruhrfestspiele nicht nur leitete, sondern wieder zu einem europäisch bedeutsamen Festival machte, ist eine eigene Geschichte. Kein einziges Mal war er seither mit einer Produktion hier vertreten. Nun kehrt er also zurück, als Theaterleiter aus Ludwigshafen mit Schauspielern aus Karlsruhe und einem lange vergessenen Theatertext.


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