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Badisches Tagblatt, Ute Bauermeister, 25.1.2014

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Regisseur Eric Nikodym inszeniert am Badischen Staatstheater Karlsruhe mit fünf Schauspielern ein feines, kleines Kammerspiel. Er schickt die Akteure wie zu einem Boxkampf in den Ring: in der Mitte des Studios die leere Bühne, an drei Seiten sitzt das Publikum ganz nah am Geschehen.

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Großartige Leistungen erbringen dabei die Schauspieler: Lisa Schlegel ist eine immer positive, verständnisvolle Eva, die aber beim Singen auch mal austickt und dem Gitarristen mit seinem Macho-Gehabe Einhalt gebietet - sie sei ja schließlich nicht seine musikalische Kolonie. Schlegel singt, rümpft verschnupft die Nase, heult spontan mit und brüllt sich das Warum aus der Seele, in so natürlicher Wandlungsfähigkeit, die immer wieder bewundernswert ist. Auch Johanna Kitzl überzeugt vollkommen als vorlaute Wichtigtuerin, die dermaßen zickig auf ihren hochhakigen Schuhen daher stolziert und ihre Rolle super aufgesetzt zu spielen versteht.

Na und dann die drei Männer: Simon Bauer gibt mimisch großartig den Leo, dessen Clownseinlagen kurzerhand gestrichen werden und, der am Ende noch einmal allgemein die Überzeugung infrage stellt. Frank Wiegard spielt den auch mal an der guten Sache zweifelnden Rainer, kann ebenso gut aus der Haut fahren, wie beschwichtigen oder mal eben nebenbei einen politisch unkorrekten Witz machen, alles mit einem sich ständig wandelnden Gesichtsausdruck. Und schließlich Ronald Funke, der erst am Schluss zeigen darf, was in ihm steckt: Wow! Mit welcher Power er da aus einem "Impuls heraus" seine Eloge hält, das verschlägt den Zuschauern den Atem.


Badische Neueste Nachrichten, Rudiger Krohn, 25.1.2014

(...) Ob nun die zickige Diva Christine, die sich im Chor der Samariter gern als Erste Sängerin profilieren möchte, ob ihre edelmütig verkitschte Kollegin Eva, die ihre demonstrative, verquaste Gutherzigkeit mit knallharten Ich-Bandagen versteift, ob der wankelmütige Rainer, der seine Entschlussschwäche hinter sentimentalem Pathos versteckt, ob der unreife Leo, dem so viel wuchtiges Engagement allmählich unheimlich wird, oder der kantige „Bibel-Fuzzi“ Eckart, der schließlich zu einer furiosen Philippika wider diese „gutmenschliche Betroffenheitsveranstaltung“ abhebt – sie alle stürzen sich mit großem Eifer in ihre Rollen, die sie in diesem Ellbogenspiel wohlmeinender Weltenretter einnehmen.

Da ist unendlich viel Eitelkeit, Stutenbissigkeit und Rampengier im Spiel, und immer wieder kommen infame Totschlag- Argumente zum Einsatz, in denen sogar die edelsten Motive in den Dreck noch höherer Denkungsart gezogen werden. Wie eine finstere Drohung schwebt über diesen vergifteten Dialogen die Forderung nach „politischer Korrektheit“, mit der sich selbst die korrekteste Äußerung in ihr schäbiges Gegenteil verkehren lässt. In solchen Momenten, in denen grotesk übertriebener Takt zum peinlichen Fettnäpfchen wird und die hehren Ideale eines „verantwortungsvollen Weltbürgertums“ als verlogenes Gesülze entlarvt werden, hat der „Benefiz“-Abend von Ingrid Lausund seine befreiendsten Passagen.

Allerdings, ein Stück wird daraus noch nicht. Über lange Strecken bietet die Aufführung im Studio des Karlsruher Staatstheaters eine lustige Nummern- Revue von kabarettistischer Unterhaltsamkeit, in der die Darsteller komödiantische Soli absolvierten, um dann wieder ins weitgehend ungestaltete Ensemble zurückzutreten. Die heimliche Lust am Normenverstoß ist als dramaturgisches Prinzip nicht tragfähig genug, um aus satirischen Kabinettstückchen einen runden Theaterabend zu machen, und es stellt sich mitunter doch die Frage, ob das Leiden afrikanischer Kinder, hungernder Flüchtlinge oder massakrierter Volksgruppen wirklich geeignet ist, sich über das hilflose, auch peinliche Getue derer zu amüsieren, die immerhin (aus welchen Gründen auch immer) um Abhilfe bemüht sind.

Lausunds „Benefiz“ ist eine dankbare Vorlage, die durchaus voller kritischer Energie steckt und mit Entsetzen makabren Scherz treibt. Die Inszenierung von Eric Nikodym, der am Staatstheater bislang nur als Regieassistent tätig war, holt aus dem Stück weniger heraus, als drinsteckt, erliegt der Verführung possierlicher, breit ausgewalzter Pointen und lässt mangels Erfahrung den Schauspielern allzu freien Lauf in der Gestaltung ihrer „Nummern“. Lisa Schlegel als steinerweichend verkorkste Eva und Joanna Kitzl als eiskalt routinierte Ego-Shooterin Christine ziehen daraus für ihre eigene Präsentation sehr vergnüglichen Nutzen, während Simon Bauer (Leo) daneben ein wenig unscheinbar wirkt, Frank Wiegand (Rainer) zwischen Gefühligkeit und kaltschnäuziger Lakonie ein ambivalentes Profil gewinnt und Ronald Funke (Eckart) in seinem emphatisch vorgetragenen Aufruf zu tätiger Barmherzigkeit, in der die Menschen unserer Wohlstandsgesellschaft ihr schlechtes Gewissen zu beruhigen suchen, immer mit dem Verdacht des aufgekratzten Publikums zu kämpfen hatte, auch diese Szene werde sich am Ende als sarkastischer Jux erweisen.

(...) Die animierten Zuschauer ließen sich ihr Pläsier durch derlei Schatten nicht rauben und feierten das Ensemble mit johlendem Beifall.


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