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thatsMusical.de, Sylke Wohlschiess, 9.2.2014

Musical-Mainstream ist es beileibe nicht, was Musiker, Schauspieler und Kreative der Karlsruher Inszenierung geschaffen haben. Das liegt zunächst einmal an den 15 neuen Liedern, die der Musikalische Leiter Clemens Rynkowski eigens komponiert und geschickt in Shakespeares literarische Vorlage eingewoben hat. Während es im ersten Teil, bei den Duetten der Liebenden und den Liedern der Nicht-Geliebten noch recht melodiös und vertraut klingt, wird im zweiten Teil, analog zur Handlung, auch die Musik zunehmend dissonant und aggressiver. Mit seinen intelligenten, tief gehenden Liedtexten fügt der 23-jährige Poetry-Slammer Tobias Gralke moderne, erfrischend ungewöhnliche Formulierungen in das historische Versmaß ein. So wird dem Schauspiel aus dem späten 16. Jahrhundert mit dem zeitlosen Thema der Suche nach der wahren Liebe eine neue Aktualität zu Eigen.

(...) Diese von den drei Rynkowski-Brüdern (...) selbst erdachten und aus Schrott und Fundstücken gebauten Instrumente klingen anders als alles, was man bisher gehört hat. Sie erschaffen keine Tonfolgen, sondern einen vollkommen eigenen Klangkosmos. Lang gehaltene, silbern verklingende Töne vermischen sich mit tiefem, geheimnisvollem Raunen. Eben so, wie es im Elfenwald klingen muss.

(...) Mit einschmeichelnden Stimmen fallen Matthias Lamp als Lysander und Robert Besta als Klaus Zettel positiv auf. Aufhorchen lässt der als Gast am Badischen Staatstheater engagierte Tim Grobe. Sein klassischer Bassbariton tönt voll und energiegeladen, und auch seine schauspielerische Darstellung des Oberon ist akzentuiert und auf den Punkt.

(...) Auch den vier Liebenden gelingt die schauspielerische Umsetzung ihrer Rollen hervorragend. Florentine Krafft gibt eine zwischen Verzweiflung und Wut schwankende Helena, die sich nach Demetrius verzehrt, der wiederum nur Augen für Hermia hat. Sophia Löffler himmelt in dieser Rolle absolut überzeugend ihren Lysander an. Dieser erwidert die Anbetung, bis er durch Pucks Irrtum den für Demetrius bestimmten Zaubernektar abbekommt und fortan von Helena wie besessen ist. Jan Andreesen als Demetrius verhält sich Helena gegenüber unglaublich mies und abweisend. Dennoch wird er sie nicht los.

(...) Dagegen rücken mit sprühendem Witz, bezaubernder Tollpatschigkeit und grandios überzeichneter Darstellung ihrer richtig schlechten Theaterproben Gunnar Schmidt, Robert Besta, Michel Brandt, Daniel Friedl und Andreas Ricci sofort in den Fokus. Ursprünglich Handwerker, werden sie unter Daniel Pflugers Regie kurzerhand zu Bühnenarbeitern. Ein genialer Kniff, denn so können die Fünf den Umbau der Athen-Kulisse zum Elfenwald gleich selbst erledigen. Das Licht im Saal wird heller für die „Umbaupause“, der Bodenbelag wird abgezogen, die Leinwand mit dem aufgemalten Wald aufgerollt. Mehr braucht es im genial-spartanischen Bühnenbild von Flurin Borg Madsen nicht. So proben die Amateur-Schauspieler dann in Oberons Zauberreich das Stück im Stück, "Pyramus und Thisbe". Schmidt als Autor und Regisseur Peter Squenz hat Mühe, seiner Truppe ihre Rollen nahe zu bringen und hält sich verzweifelt an seinem Textbuch fest. Er überzeugt auf ganzer Linie. Daniel Friedls Mimik und Gestik als Wand lösen wahre Lachsalven aus: Er streicht sich übers Gesicht und lässt alle Gesichtsmuskeln zu einem unschlagbar dümmlichen Gesichtsausdruck erschlaffen, zwei gespreizte Finger sind die Mauerritze, durch die Michel Brandt im Tüllröckchen als Thisbe verliebte Seufzer zur anderen Seite schickt. Kaum ein Wort zu sagen, aber das Publikum auf seiner Seite hat Ricci alias Robert Schlucker, der den Löwen mimt. Seine Rolle besteht nur aus einem Brüllen, aus dem letztlich nur ein verzagtes Miauen wird, das unweigerlich an den feigen Löwen aus dem "Zauberer von Oz" erinnert. Star der Truppe ist Klaus Zettel, fantastisch dargestellt von Robert Besta. In grenzenloser Selbstüberschätzung, die er mit einem einzigen Augenrollen vermittelt, würde er am liebsten alle Rollen selbst über- und auch noch seinem Regisseur die Arbeit abnehmen.

(...) wenn man sich auf das musikalische Experiment einlässt, ist der Lohn ein wahrhaft verwirrend-schönes Theatererlebnis.

Lesen Sie die vollständige Kritik hier.


Badische Neueste Nachrichten, Andreas Jüttner, 1.2.2014

Und wie „Dylan“, „Alice“ und „Rio Reiser“ dürfte auch die fast dreistündige Musicalfassung von Shakespeares „Sommernachtstraum“, auf die Bühne gebracht vom „Alice“-Team um Regisseur Daniel Pfluger, zum Publikumsrenner werden. Künstlerisch ist der Ertrag zudem höher als bei den genannten Vorgängerproduktionen, denn die eigens für diese Inszenierung geschaffene Musik ist zwar durchweg eingängig, aber weitaus facettenreicher und origineller als der Gefälligkeitssound der landläufigen Reißbrett-Musicals.

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Zunächst finden die straighten Popsongs der Liebenden ihre Entsprechung in strikten, gemessen vorgetragenen Barock-Arien des Elfenpaares, bei denen Tim Grobe und Antonia Mohr stimmlich stark auffahren. Instrumental werden freilich schon hier die Konventionen verlassen, indem die barocken Arrangements durch Rumpelsound-Fleischwolf eines Tom Waits gedreht werden. Denn bei der siebenköpfigen Live-Band kommen neben Bratsche, Posaune oder Flöte zunehmend kuriose Instrumente zum Einsatz mit Namen wie Nagelorgel, Stahl-Sputnik oder Rehfiep Hubertus – selbst gezimmerte und geschweißte Holz- und Blechklangkörper, deren surrealer Soundtrack die Atmosphäre immer mehr prägt, je mehr die Liebenden sich selbst verlieren – gipfelnd in einer Nummer, in der vier Solo-Songs zusammenfließen.

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Robert Besta glänzt als erst gockel- und dann goofyhafter Zettel, Gunnar Schmidt gibt den Möchtegern-Autor Peter Squenz, Michel Brandt ist als Thisbe schlichtweg herzig und die Schauspielstudenten Daniel Friedl und Andreas Ricci gewinnen als tollpatschige Wand- und Mond-Personifikationen die Herzen.

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Amors Pfeil, von dem hier so oft die Rede ist, hat mit diesem Abend einen Treffer gelandet.


Badisches Tagblatt, Christine Lenhardt, 1.2.2014

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Doch das ausgezeichnete Schauspielensemble des Badischen Staatstheaters hat Shakespeares meist gespieltes Stück zu einem urkomischen Theatererlebnis gemacht, das im Festjahr zum 450. Geburtstag des großen britischen Dramatikers ein wahres Kabinettstückchen ist.

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Nicht nur der Auftritt der Handwerker, die im "Sommernachtstraum" ihre eigene Liebestragödie als Zwischenspiel für die herrschaftliche Hochzeit proben, einfach alles erscheint in dieser Karlsruher Neuinszenierung von Regisseur Daniel Pfluger handgemacht, ursprünglich und dabei stimmig. Obwohl oder gerade, weil die Inszenierung mit wenigen Deko-Versatzstücken auskommt, fast pures Theater ist, das durch seine "Wortkulisse" die Fantasie anregt, in dem die Pointen, Anspielungen und Gesten Maßarbeit sind.

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Jedenfalls quirlt alles im turbulenten Spiel durcheinander, bis der Morgen die Spuknacht verscheucht – und das herzerfrischende Amüsement zur Schlusspointe anhebt: Selten so gelacht beim kleinen Theater-Einmaleins der Handwerker, die sich als Pyramus und Thisbe, als Mond mit Laterne und als Wand mit gespieltem Schlitz an einer tragödienhaften Farce versuchen – und grandios scheitern.

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Shakespeares liebestolle Komödie wird zum Erweckungserlebnis.


Rheinpfalz, Rainer Wolff, 6.2.2014

Poetry Slammer Tobias Gralke (Texte) und Clemens Rynkowski (Musik) sorgen für einen bunten, liebenswürdig verspielten Ablauf.

(...) Regisseur Daniel Pflüger setzt auch hier wieder auf die zaubrische Phantasie der Vorlage, zu der ihm Bühnenbildner Flurin Borg Madsen mit naiv gemalten Kulissen und einfachen Requisiten einen effektvoll bespielbaren Rahmen bereitstellt.

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Tim Grobe gibt dem Oberon titanische Kontur aus zierlichem Testosteron und pompösem Dünkel, überrascht aber neben ausgestellt kerlig-kerniger Note mit angenehmer Singstimme. (...) Robert Besta ist als glänzender Zettel eine famose Parodie auf alle Mimen-Eitelkeit, Gunnar Schmidt ein herrlich verklemmter Dramaturg Peter Squenz, Michel Brandt ein überaus liebreizendes Blondmädel Thisbe, Daniel Friedl eine köstliche Wand ohne großes Getue und Andreas Ricci ein wunderbar beschränkter Löwe. Der starke Schlussbeifall für das gesamte Ensemble schloss ausdrücklich die sieben großartigen Musikanten ein, die mit konventionellen, aber vor allem auch mit selbstgebauten Instrumenten wie Nagelorgel, Rehfiep Hubertus, Scharnierophon und Blechschnecke für Hör-Erlebnisse ganz eigener Art sorgten und den Athener Zauberwald mit wundersamen Klängen von betörendem Reiz erfüllten.


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