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BNN, Isabel Steppeler, 14.7.2015

Jacopo Spirei und Justin Brown lassen in Karlsruhe einen begeisternden „Falstaff“ sprudeln

Wenn schon die Pausengespräche im Foyer des Badischen Staatstheaters Kapriolen der Begeisterung schlagen und man mit einem Schmunzeln auf den Wangen Worte wie „endlich mal!“ aufschnappt, läuft da was gut. Der Schlussapplaus für die Karlsruher Neuinszenierung der letzten Oper von Giuseppe Verdi bestätigt: In der Regie von Jacopo Spirei mit Justin Brown am Pult der Badischen Staatskapelle hat dieser „Falstaff“ musikalisch wie szenisch eingeschlagen wie eine Bombe ...
Spagnolis schwere und ausladende Stimme strahlt in den Höhen, ist wunderbar ausgeglichen und tragfähig in allen Lagen und krönt diese Partie immer wieder mit passenden dynamischen Pointen. Eine bessere Besetzung für diese Rolle ist kaum vorstellbar, zu der sich eine insgesamt großartige Solistenriege gesellt: Den eleganten, aber reichlich eifersüchtigen Ford singt Seung-Gi Jung mit weicher, beweglicher Stimme und schönem Schmelz . . . lyrisch und . . . charakterisierend gibt Klaus Schneider den Doktor Cajus; Torsten Hofmann und Luiz Molz bieten ein köstlich schmieriges Duo Bardolfo und Pistola. So weit zu den übermütigen oder von ihren Trieben wie Leidenschaft und Eifersucht gesteuerten Kerlen. Gewinner ist eigentlich nur Fenton, der seine Nanetta kriegt und von Eleazar Rodriguez mit lyrischer Zartheit gesungen wird. Alle anderen sind am Ende die Gelackmeierten, weil sie von einer proseccoschäumenden, munter im Einklang mit der Musik glucksenden und kichernden Schar listiger Weiber an der Nase herumgeführt werden: Großartig blühen Barbara Dobrzanska und Dana Beth Miller auf als Alice Ford und Mrs. Quickly mit Stefanie Schaefer und Emily Hindrichs als Mrs. Meg Page und Nannetta – allesamt darstellerisch und gesanglich ein perfektes Quartett, dem die Freude am Ausmalen ihrer Partien anzusehen ist ...

Alle Zutaten (Bühnenbild: Nikolaus Webern, Kostüme: Sarah Rolke) für diese begeisternde Inszenierung wirken denkbar einfach, zeugen aber im Zusammenspiel mit der wunderbar auf die launige Musik abgestimmten Personenführung von einem äußerst respektvollen und gewitzten, einfühlsamen und klugen Umgang mit dem Stoff, auf dem Verdi seine männerfeindliche Oper aufbaut. Der italienische Regisseur Jacopo Spirei schraubt bei seinem Operndebüt in Deutschland nicht groß herum an Verdis „Falstaff“. Er kitzelt aus den perfekt besetzten Solisten ein Höchstmaß an darstellerischer Fähigkeit und Spielfreude heraus und schildert das spritzige Treiben pointiert und kess irgendwo in Italien mit Menschen von heute samt iPad und einer zeitgemäßen Lust auf Retro in Mode und Raumausstattung ...

Passend zu alledem zündet Justin Brown am Pult der Badischen Staatskapelle ein musikalisches Feuerwerk nach dem anderen. Ob passgenau zum Gesang oder spritzig dazwischenfahrend – seine Interpretation ist gleichermaßen leidenschaftlich wie achtsam. Ein sehr schöner Verdi mit Gute-Laune-Garantie. „Tutto nel mondo è burla“, singt der Chor am Ende: Wer sich diesen Spaß auf Erden nicht anschauen geht, ist selber schuld.

Badisches Tagblatt, Nike Luber, 14.07.2015

Pietro Spagnoli stellt als Premierenbesetzung der Titelpartie echten Luxus dar. Der Italiener singt den Falstaff so mühelos, so farbenreich, so lebhaft, dass man denken könnte, er hätte seit Jahren diese Rolle verinnerlicht. Tatsächlich ist es Spagnolis Rollendebüt, aber was für eines! Perfekt bis in feinste Nuancen singt und spielt er den Falstaff mit all seinen Schwächen, aber auch Einsichten ... Regisseur Jacopo Spirei versetzt den unverwüstlichen Adligen, der nur von seiner Schläue lebt, in die Welt von TV-Serien wie Desperate Housewives ...

Von Kostümbildnerin Sarah Rolke schick eingekleidet, macht sich das Trio daran, sich bestens zu amüsieren. Nikolaus Webern schuf eine sehr wandlungsfähige Bühne, die sich im Nu von der Bar in ein Wohnzimmer oder einen Friedhof verwandelt. Spirei setzt in seiner Inszenierung auf die Slapstick-Elemente, die für viele Lacher im Publikum sorgen, und auf ein flottes Tempo ...

Komödiantisches Spitzenniveau erreicht die Szene, in der Ford mit einem Mob aus Paparazzi, Nachbarn sowie Vertretern von Polizei und Kirche das eigene Haus durchsucht, aber den im Wäschekorb versteckten Falstaff nicht entdeckt ...

GMD Justin Brown und die Badische Staatskapelle reichern ihre nuancenreiche Wiedergabe von Verdis Musik um einige Schärfen an. Es ist das Orchester, das verrät, wie sehr die Eifersucht in Ford tobt, und wie unheimlich diese Nacht auf dem Friedhof für Falstaff ist. Er gewinnt an Selbsterkenntnis, während die gar nicht so braven Bürger selbstgerecht weiter feiern.

 

Frankfurter Rundschau, Judith von Sternburg, 18.07.2015

Sanftmütig und realistisch ist der Witz dieser sommerlichen „Falstaff“-Produktion. Immer fix und elegant veranstaltet das Theater mit Drehbühne und hochziehbaren Wänden eine Kulissenschieberei, wie sie in dieser Opulenz gar nicht mehr die Regel ist ...

Regisseur Jacopo Spirei macht aus Falstaff einen Italiener von oben bis unten, in einer Inszenierung, deren Personenführung atmosphärisch ins Schwarze trifft. Mit einem kugelrunden Falstaff vor allem, dem dafür ausgepolsterten italienischen Gaststar Pietro Spagnoli (Jahrgang 1964, in seinem Rollendebüt), einem mitnichten ausgelaugten und alten Alten. Zudem ist eine Kugel recht beweglich. Mit Spireis Plänen geht das vorzüglich überein, der wirklich keine Lust zu haben scheint, auf den letzten Saisonmetern eine der Figuren zu denunzieren ...

Und auch mit den Plänen des Karlsruher Generalmusikdirektors Justin Brown, der einen komplexen und doch leicht daherkommenden Spät-Verdi vorstellt. Nichts wirkt derb und manches lässt eine Moderne hören, die man mit „Falstaff“ nicht in Verbindung bringen wird ...

Gut gelaunte Italienerinnen mit einiger Grandezza sind die Damen, die sich zunächst vor einer ebenfalls sehr italienischen Kirche treffen. Prächtig Dana Beth Miller als Mrs. Quickly, respektheischend Barbara Dobrzanska als Mrs. Ford ...

Als rührendes junges Paar drücken sich Emily Hindrichs und Eleazar Rodriguez durch die Handlung und verdrücken sich vor allem gerne. Es interessiert sie nicht ernsthaft, was die Elterngeneration treibt. Stimmlich setzen beide umjubelte Glanzpunkte. Es ist normal und vernünftig, am Ende dieser Oper gemeinsam zu lachen. Aber auch das gelingt nicht immer so ansteckend wie in Karlsruhe.

Pforzheimer Zeitung, Rainer Wolff, 14.07.2015

Spagnoli füllt die prall ausstaffierte Figur des liebenswürdigen Erzgauners, kläglichen Verführers, genasführten Hagestolzes und betrogenen Betrügers mit berstender Lebenskraft . . . seine polternden Ausbrüche, triumphierenden Höhenflüge und nachdenklichen Monologe entfalten eine nachhaltig beeindruckende Kraft. Sein lächerlich rasender Gegenspieler Ford findet in Seung-Gi Jung eine ... prächtige Verkörperung ...

Das Liebespaar Nannetta/Fenton findet in den schwärmerischen Duetten von Emily Hindrichs und Eleazar Rodriguez ebenso glaubwürdige Interpreten wie die clevere Mrs. Quickly bei der fulminant auftrumpfenden Dana Beth Miller.

Rheinpfalz, Karl Georg Berg, 14.07.2015

... aber ein lebendiges, nicht selten pfiffiges, manchmal auch drastisches Spiel ...

Generalmusikdirektor Justin Brown motiviert zwei Wochen vor Ende einer langen Spielzeit die Badische Staatskapelle noch einmal zu einem zündenden Spiel. Brown sorgt für viel Leichtigkeit im Spiel und einen luftigen Ton ... Bei aller komödiantischen Laune macht er auch die hintergründigen und melancholischen Seiten der genialen Partitur offenkundig.

Vor 13 Jahren gab es zuletzt eine „Falstaff“-Neuinszenierung am Staatstheater. Damals war Ambrogio Maestri einer der Sänger in der Titelpartie. Zu dieser Zeit noch ein Geheimtipp, ist er heute weltweit der führende Darsteller dieser Rolle. Nun debütiert in Karlsruhe Pietro Spagnoli als Falstaff. Auch ihm dürfte in dieser Rolle eine große Zukunft bevorstehen. Der Römer singt die Partie sehr schön und differenziert. Er weiß mit rein vokalen Mitteln ein nachhaltiges Rollenporträt zu entwerfen, das fern jeder platten Komik die hintergründigen Facetten der Figur spürbar macht. Sein Falstaff ist fast schon eine tragische Figur, jedenfalls ein gewiss nicht unsympathischer Sonderling.


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