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Der neue Merker, 17.11.2014

Erst vor wenigen Wochen wurde Ballettdirektorin Prof. Birgit Keil zu ihrem 70. Geburtstag mit einer Gala gefeiert, jetzt folgte noch ein ganz besonderes Geschenk: die Rechte für Aufführungen von John Crankos 1969 geschaffener Ballettkomödie nach dem gleichnamigen Bühnenstück von William Shakespeare. Eine überaus große Ehre für das seit 11 Jahren bestehende Ballettensemble und eine Auszeichnung für ihre tanzdarstellerischen Qualitäten, denn wie alle Handlungsklassiker dieses berühmten Choreographen und seiner Nachfolger sind hier außer einer erstklassigen Technik auch schauspielerisches Geschick und die Identifikation mit Charakteren gefragt ...

Das mit der Aufführungs-Überlassung verbundene Vertrauen des Cranko-Erben Dieter Gräfe wurde von der Karlsruher Compagnie in hohem Maße gerechtfertigt ...

Die Hauptrolle der kratzbürstigen Edelmann-Tochter Katharina im Zusammenspiel mit einer bislang noch nicht erfahrenen höchste Kondition verlangenden Technik auf Anhieb in ihrer wesentlichen Essenz auszufüllen  - dazu gehört schon besonderes Talent. Die Erste Solistin Blythe Newman zeigt sich der immer wieder in Kampfstellung gehenden frustrierten älteren Tochter von Baptista von Anfang an gewachsen, verteilt mit Lust Ohrfeigen und Fußtritte und  wandelt sich ohne Effekthascherei von Aggression zu Friedfertigkeit. Besonders eindrücklich ist dies im zweiten Pas de deux nachzuvollziehen, wo ihr nach und nach brechender Widerstand in beständig willenloserem Gleiten in den Armen ihres Partners veranschaulicht wird, sie sich förmlich hängen lässt und auch in den risikofreudigsten Hebungsformen und Haltungen auf die ganzheitliche Unterstützung Petrucchios setzt. Diesen Teil des Erfolges hat sie Filip Barankiewicz zu verdanken, mit dessen Gast-Engagement ein besonderer Coup gelungen war ...

Bruna Andrade, ganz aktuell mit dem Faust-Preis als Tänzerin des Jahres ausgezeichnet und damit ein weiterer Grund zum Feiern an diesem Abend, verdingte sich im Vorfeld ihres Katharina-Debuts ebenso wie Hélène Dion als pointensichere Dirne, die durch eine List mit den beiden ungeliebten Bianca-Anwärtern verkuppelt werden.

Eric Blanc als Baptista und Andrey Shatalin als Wirt und Priester füllten ihre dankbaren Spielrollen ebenso aus wie die zu köstlichen Blödeleien angesteckten Diener Petrucchios. Der recht anspruchsvolle Pas de six während der Hochzeitsfeier gelang mit teilweise solistischer Besetzung reibungsloser als in so mancher Stuttgarter Repertoire-Aufführung. Und das Corps de ballet wirkte in seinen diversen Aufgaben als genervte Nachbarn, Karnevalsmasken und Hochzeitsgästen schon sehr gut eingespielt ...

Crankos Einzug beim Badischen Staatsballett schlug hohe Wellen mit lange anhaltender Begeisterung und bescherte auf seine Art wie damals den Stuttgartern ein Ballett-Wunder.

 


Badische Neueste Nachrichten, 17.11.2014

... Nach der Struktur der „Widerspenstigen Zähmung“ befragt, strich John Cranko stets die drei Pas de deux der Hauptdarsteller heraus, die auf die Handlung verteilt die charakterlichen Veränderungen von Petrucchio wie auch von Katharina in technisch wie darstellerisch überaus anspruchsvoller Form verdeutlichen. So ist Katharina ebenso gefordert wie ihr männliches Pendant. Das Biest im ersten Akt mutiert ganz allmählich zur ergebenen Gattin. Blythe Newman vollzog an der Seite des erfahrenen Partners diese Wandlung überzeugend nach. Ihr tänzerisches Vokabular reichte von der aggressiven Akrobatik bis zur ballerinenhaften Anmut.

Reichlich naiv angelegt ist der Part von Katharinas Schwester Bianca, der der Weg zum Altar erst offen steht, wenn ihre boshafte Schwester unter der Haube ist. Raffaelle Queiroz ließ sich in gebotener Lieblichkeit zwischen den möglichen Bewerbern hin und her reichen. Die Rollen der Freier sind dabei so pointiert gestaltet, dass ihre Auftritte in der Inszenierung großen Raum einnehmen. Da ist allen voran der tumbe Gremio, der mit sängerischem Gequietsche Eindruck schinden will. Selten hatte man Reginaldo Oliveira so aufgedreht erlebt. Louis Bray gab sich als Hortensio am Zupfinstrument gekonnt tuntig ... Ballett also mit einem großen Spaßfaktor auf und vor der Bühne. Ausstattung und Kostüme im dezenten italienischen Renaissance-Stil (Elisabeth Dalton) haben in all den Jahren noch keine Patina angesetzt und bilden den äußeren Rahmen für das ausgesprochen kurzweilige, temporeiche Geschehen, das das Badische Staatsballett mit einer bemerkenswerten Dynamik bestimmte. Das dürfte auch die Stuttgarter Delegation um Ballettchef Reid Anderson beeindruckt haben. Steven Moore als Dirigent der Badischen Staatskapelle hat dafür gesorgt, dass trotz der nicht an das choreografische Potenzial heranreichenden musikalischen Vorlage von Kurt-Heinz Stolze nach Motiven vom Domenico Scarlatti Schwung aus dem Orchestergraben kam. Das Premierenpublikum war außer sich vor Begeisterung.


Badisches Tagblatt, 17.11.2014

Filip Barankiewicz ... verleiht dem Petrucchio nicht nur phänomenale Sprungkraft, Virtuosität und markante Ausstrahlung, er versieht das alles mit einer herrlichen Prise Selbstironie. Ob er betrunken durch eine Kneipe torkelt, betont selbstbewusst zu Katharinas Vater stolziert oder sich auf seiner eigenen Hochzeit gezielt daneben benimmt, jede Regung sitzt so perfekt, dass noch Raum bleibt für ein Augenzwinkern zum Publikum.

Blythe Newman ist ihm eine ebenbürtige Partnerin. Wie eine Furie rast die zierliche Tänzerin über die Bühne. Sie verjagt die albernen Galane, die um die Hand ihrer Schwester Bianca buhlen, versetzt die eigene Familie in Angst und Schrecken und die Nachbarn sowieso. Das Ganze wirkt so überzeugend, weil im Karlsruher Ensemble das Timing stimmt. Die giftigen Blicke, Tritte und Schläge, die Newman so fulminant austeilt, werden punktgenau mit sich Ducken, Fallen und übertriebenem Davonhumpeln beantwortet.

Cranko hat "Der Widerspenstigen Zähmung" 1969 ganz im klassischen Kanon choreographiert. Heute entfaltet dieses Stück einen Charme, der nicht auf Nostalgie beruht, sondern auf der treffend umgesetzten Charakterisierung der Figuren und auf einer zündenden Situationskomik. Die klagenden Nachbarn in ihren langen Nachthemden sind so erheiternd wie Biancas konkurrierende Freier und Petrucchios Diener. Im Karlsruher Ballett findet sich für jede Rolle die passende Besetzung.

Besonders schön kommt die Entwicklung der Charaktere und ihrer Beziehung zueinander zum Ausdruck. Vor der Hochzeit scheinen Rafaëlle Queiroz und Zhi Le Xu als Bianca und Lucentio das traumschön tanzende Märchenpaar zu sein, während sich Katharina und Petrucchio nach allen Regeln der Kunst bekämpfen. Aber nach den Hochzeiten erweisen sich die perfekt zusammen spielenden Newman und Barankiewicz als glücklich liebendes Paar, im Gegensatz zu den anderen.

Bis zum übermütigen Finale ist in der Karlsruher "Zähmung" Spielfreude und klassisches Ballett von seiner schönsten Seite zu sehen, und das in der reizenden Ausstattung, die einst für die Uraufführung entworfen wurde. Die Badische Staatskapelle spielt die nach Werken von Domenico Scarlatti komponierte Musik rhythmisch spritzig. Dirigent Steven Moore sorgt für die reibungslose Abstimmung zwischen Musik und Tanz, was die komödiantische Wirkung unterstreicht. Kurz: Crankos "Der Widerspenstigen Zähmung" mit dem Badischen Staatsballett ist ein umwerfendes Vergnügen.


BNN, Rüdiger Krohn, 19.10.2015

Andrade, Trägerin des Deutschen Faust-Theaterpreises als „Beste Darstellerin Tanz“ von 2014, machte bei ihrer Katharina-Première … aus der Figur der gezähmten Kratzbürste einen sehenswerten, höchst vergnüglichen Ausbund köstlicher Biestigkeit. Wie sie mit graziöser Urgewalt über die Bühne fegt und buchstäblich alles umhaut, dabei technische Bravour mit atemberaubender Virtuosität und zugleich souveräner Leichtigkeit demonstriert, wie sie Stimmungswechsel zwischen zart und zickig, weich und wüst umsetzt – das macht diesen Abend zu ihrem Abend und zu einem hinreißenden Ereignis ...

Die Aufführung unter der pointierten musikalischen Leitung von Steven Moore hat durchaus ihre amüsanten Höhepunkte und reizvollen Details, an denen besonders Reginaldo Oliveira als komödiantischer Gremio, Pablo dos Santos als entzückender Freier Lucentio sowie Blythe Newman und Hélène Dion als deftige Dirnen großen Anteil haben.


TITEL Kulturmagazin, Jennifer Warzecha, 12.1.2016

In Karlsruhe wird die Inszenierung gerade durch Katharinas (charakterstark in Gestik, Mimik und tänzerischem Ausdruck, in dieser Aufführung: Bruna Andrade) stimmungsgeladene Wutausbrüche im Kampf um ihre Weiblichkeit und die wunderbaren Pas de deux zusammen mit ihrem Partner Petrucchio (charakterstark, sympathisch und tänzerisch gesehen top, in dieser Aufführung: Admill Kuyler) zu einem wahren Meisterwerk aus Tanz, Bewegung, Geschmeidigkeit, Grazie und Ausdruck. Genau das zieht auch das Publikum in seinen Bann: Es belohnt das Ensemble im Großen Haus des Staatstheaters rund um Ballettdirektorin Prof. Birgit Keil, unter der musikalischen Leitung von Steven Moore sowie der Choreografie und Inszenierung von John Cranko, nach der Musik von Kurt-Heinz Stolze nach Domenico Scarlatti, mit tosendem Applaus...

Lesen Sie die komplette Rezension hier.


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