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SWR 2, Elske Brault, 14.4.2016

Hervorragend gespielt von allen!

Hören Sie hier die ganze Kritik online.


Badisches Tagblatt, Ute Bauermeister, 11.4.2016

Konstantin Küspert hat das Stück für das Badische Staatstheater neu übertragen. Er bewahrt den alten Duktus und haucht ihm ganz sanft neuen Atem ein. Alles Gesagte hört sich zeitgenössisch an, ohne sich einem Jargon anzubiedern
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Regisseur Jan Philipp Gloger hebt das individuelle Leid hervor, er stellt Psychogramme einzelner Frauen in den Mittelpunkt, streicht den Chor und zeigt das Ausmaß grausamer Kriege in dichten 90 Minuten, die unter die Haut gehen.
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Annette Büschelberger spielt großartig die Hekabe, sie beherrscht die Klaviatur differenzierter Töne, zischt, kniet, jammert, lästert und schreit, dass es einem kalt den Rücken runter läuft. Florentine Krafft gibt eine verrückte Kassandra, Amélie Belohradsky mimt mal außer sich, mal trotzend und gekonnt überkandidelt mit ihren sich die Haare raufenden Bewegungen Hekabes Schwiegertochter Andromache und Lisa Mies überzeugt als sexy Helena, die ihr Leben retten will.
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So bleibt doch die so schlichte wie erschütternde Erkenntnis von diesem sehenswerten Abend: Krieg bringt nichts als Leid. Euripides war einer der ersten Pazifisten. Insofern ist diese Inszenierung, die uns in der Konfrontation mit den Fragen nach dem Wesen der Gewalt und dem "gerechten" Krieg mit eindrucksvollen Darstellern unendliches Leid vor Augen führt, eine starke Stimme im Rahmen der Europäischen Kulturtage. Anhaltender Applaus.


Die Deutsche Bühne, Manfred Jahnke, 10.4.2016

Sprachlich bleibt Küsperts Übertragung rhythmisch, nutzt aber den heutigen Alltagsjargon, so dass die Brutalität der Handlungen ganz nah in gegenwärtiger Wahrnehmung aufscheint.
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Ein weißer Steg, der von halber Höhe bis in die Tiefe führt und die sich darauf bewegenden Menschen manchmal ins Rutschen bringt, dominiert den Raum, der die kalten Betonwände im Hintergrund kahl belässt. Dieser von Marie Roth geschaffene Spielraum wird ergänzt durch die Schwarzweißvideos von Sami Bill, der in seinen Bildern über diesen Steg Wasser langsam fließen lässt, was manchmal auch Blut sein könnte, oder eine Unmenge an Wasserkäfern schwimmen lässt, unterstützt noch durch die Musik von Kostia Rapoport, in der chorische Elemente, die manchmal an gregorianische Gesänge erinnern,  benutzt und rhythmische Instrumente, die der Inszenierung eine ganz eigene Erzählzeit geben. In diesem Spielraum versucht  Gloger aus einem Changieren zwischen Konversationston und großem Ausbruch die Gesten der Trauer, des Schmerzes und der Verzweiflung als Chiffren zu setzen. Da auf diesem Steg von Gloger immer wieder geometrisch aufgebaute Beziehungen zwischen den Akteuren entstehen, entwickeln sich opernhafte Bilder.
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Annette Büschelberger im kurzen Schwarzen und blonder Perücke wirkt als Hekabe überraschend jung. Aber wie sie spielt, wie jeder Schmerz sie körperlich trifft, sie sich krümmt, aber dann mit jedem Schmerz auch „versteinert“, ist großartig
. . . Mit großer Feinfühligkeit führt Amélie Belohradsky als Andromache eine Frau vor, die sich in ihrer Verzweiflung einzurichten versucht.

Die ganze Kritik lesen Sie hier.


Nachtkritik, Elske Brault, 10.4.2016

Es ist ein einziger Klagegesang weiblicher Opfer, ein vielstimmiges Jammern über den Grundmotiven "Mann im Krieg gefallen", "Heimat verloren", "von der Herrin zur Sklavin degradiert". Wie jede einzelne hier dieses Lied anders und auf ihre Weise singt, macht den anderthalbstündigen Abend spannend, emotional berührend, um nicht zu sagen: Kurzweilig.

Alle überragend Annette Büschelberger als Hekabe, Königin von Troja: Auf eleganten Pumps stöckelt sie, die große Hermes-Handtasche zur Verteidigung gegen die Brust gedrückt, auf die abschüssige Bühne wie eine alternde russische Millionärin durch den Kurort Baden-Baden. Sie will ihrem Schicksal aufrecht entgegen gehen, spornt sich, wenn sie zu Boden fällt, selbst wieder an: "Steh auf, steh auf!" Nach dem Motto: Sie können mir das Leben nehmen, aber nicht den Stolz. Doch auch der bröckelt wie ihre äußere Erscheinung. Am Ende wird sie ohne ihre blonde Perücke, mit kahlem Kopf à la Krebspatientin, einfach nur noch dasitzen. Die von Jugend an zur Disziplin erzogene, bis dahin stets aufrechte Dame hat um ihre Würde gekämpft – und verloren.
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Jan Philipp Gloger gelingen "Die Troerinnen" als zeitloses Drama von (männlichen) Siegern und (weiblichen) Besiegten.

Lesen Sie die ganze Kritik hier.


BNN, Michael Hübl, 11.4.2016

Statt auf Bühnenblut und Puppenmassaker setzt Gloger zusammen mit seiner Ausstatterin Marie Roth auf gepflegtes Mittelstandsoutfit und eindrucksvoll akzentuierten Minimalismus. Die Betonrückwand des Kleinen Hauses wird zur Stadtmauer Trojas, eine metallene Doppelflügeltür zum Stadttor. Von dort führt eine Rampe hart an das Publikum heran – das am Ende anhaltend applaudieren und dabei Annette Büschelberger besonderen Zuspruch schenkt.
Zu recht. Büschelberger tritt als Hekabe auf, und wie sie in ihren High Heels den schrägen Steg hinabstakst, vorhersehbar stürzt, sich aufrappelt und Trauergesten übt, das ist zunächst alles Schauspielerei oder besser: Vorspiel zu schrittweise sich verdichtender innerer Pein und Verzweiflung. Anfangs verströmt die Darstellerin noch das herbe Parfüm elitärer Arroganz, doch mehr und mehr lässt Büschelberger an ihrer Rolle die Reste an Stolz und Selbstbehauptung bröckeln, bis sie als erbarmungswürdiges Häufchen Elend ihr zerschmettertes Enkelkind beklagt, das ihr Talthybios in einem schwarzen Plastiksack zu Füßen gelegt hat.

Wer ist besser dran – die Toten oder die Überlebenden, mit denen die Sieger nach rohem Gusto verfahren? Die Frage bestimmt explizit den Dialog zwischen Hekabe und Andromache, die von Amélie Belohradsky mit flammender Intensität gespielt wird, der sie ein Spur Großstadtnervosität beimischt . . . von hoher Spannung etwa die Begegnung zwischen Menelaos, den André Wagner als zwiespältigen Charakter gibt.


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