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SWR, Julian Burmeister, 30.9.2016

Der SWR berichtete über die Premiere von Terror und die angeregten Diskussionen beim Nachgespräch.

Den Beitrag zum Nachhören finden Sie hier. 


BNN, Andreas Jüttner, 1.10.2016

So fragwürdig wie erhellend
Erfolgsstück „Terror“ bietet auch in Karlsruhe viel Stoff für Diskussionen

Seit knapp einem Jahr nimmt Ferdinand von Schirachs Stück „Terror“ die Theaterbühnen in Beschlag, nun auch am Staatstheater Karlsruhe. Doch auch nach insgesamt knapp 400 Aufführungen an 39 Theatern und kurz vor der TV-Ausstrahlung im Ersten (am 17. Oktober) ist auf spannende Weise unklar, was genau dieses Stück nun eigentlich ist.

Zunächst die Fakten: Gezeigt wird eine Gerichtsverhandlung gegen einen Major der Luftwaffe. Er ist des 164-fachen Mordes angeklagt: So viele Menschen hat er getötet durch den Abschuss eines Passagierflugzeugs, das ein Terrorist auf ein mit 70 000 Menschen besetztes Fußballstadion abstürzen lassen wollte ...Am Ende stimmt das Publikum über Schuld- oder Freispruch ab. Dabei geht es nicht um seine Täterschaft (die ja feststeht), sondern um die Frage, „ob der Angeklagte gegen die Bindungen, die ihm das Bundesverfassungsgericht und die Verfassung auferlegt hat, verstoßen durfte“.

... Der Autor selbst betont, er wolle vermitteln, wie unabdingbar das Festhalten an gemeinsamen Grundwerten für ein humanes Zusammenleben ist – auch wenn dies in Extremsituationen dem gern bemühten „gesunden Menschenverstand“ zu widersprechen scheint. Andererseits lädt sein Stück das Publikum geradezu dazu ein, sich für das Gegenteil zu entscheiden. Denn wenn der tragische Gewissenskonflikt eines Menschen gegen ein abstrakt wirkendes Prinzip abzuwägen ist – zumal auf dem Theater –, dann liegt es nahe, sich für den Menschen zu entscheiden. Darauf deuten auch die Abstimmungsergebnisse hin, die auf der Homepage terror.theater des zuständigen Bühnenverlags gesammelt werden: Bis gestern stimmten von den 144 434 „Schöffen“ aller Aufführungen 59,9 Prozent für Freispruch. Zynisch könnte man konstatieren: Die zahlreichen Aufführungen machen „Terror“ zu einem großflächigen Experiment über die Bereitschaft der Bevölkerung, zugunsten eines „wehrhaften“ Staates elementare Grundrechte beschneiden zu lassen.

„Das wirft Fragen an unsere Gesellschaft auf“, befand Martin Schulze, Regisseur der Karlsruher Aufführung im Publikumsgespräch nach seiner Premiere. Deren Ergebnis stellte sich allerdings mit 170 Stimmen für „Schuldig“ und 153 für „Nicht schuldig“ gegen den Trend. Das mag daran liegen, dass es in Karlsruhe wohl auch im Theaterpublikum relativ viele Juristen gibt, die dem Verteidiger nicht auf den Leim gehen, wenn er aus seinem Satz „Kein Prinzip der Welt kann wichtiger sein, als 70 000 Menschen zu retten“ ableitet, dass Staatsdiener auf eigene Faust über Tod und Leben entscheiden dürfen.

Es dürfte aber auch an der Inszenierung von Martin Schulze liegen, die durch nuancenreiche Darstellung der Oberfläche des Stücks entgegenwirkt. So genügt Antonia Mohr als Witwe ein kurzes Verstummen während ihrer Aussage, um ihren Verlustschmerz zu vermitteln. Das lenkt den Fokus vom Leid, dass der Angeklagte mutmaßlich verhindert hat (da die Passagiere das Cockpit zu stürmen versuchten, hätten sie möglicherweise auch selbst den Absturz verhindern können) auf jenes Leid, das sein Entschluss verursacht hat. Dass der Angeklagte (Heisam Abbas) in der Vernehmung recht ungerührt wirkt, mag ebenso zur Haltung der Premierenbesucher beigetragen haben wie die empathische Darstellung, mit der Simthembile Menck die Staatsanwältin frei von oberlehrerhafter Prinzipienreiterei hält, während Klaus Cofalka-Adami den Verteidiger mit abfällig-aggressivem Tonfall gibt und dessen Argumentation, die Welt sei „kein Seminar für Rechtsstudenten“, als Populismus kenntlich macht. Die so gezeigte Manipulationskraft von Schauspielkunst vermittelte auch, auf welch dünnem Eis ein Stück wandelt, in dem der Richter (Gunnar Schmidt) von einem Theaterpublikum allen Ernstes verlangt, es solle sich „weder von Sympathie noch von Antipathie leiten“ lassen – und auf welch noch dünneres Eis „direkte Demokratie“ bei derart elementaren Entscheidungen wohl führen würde.


Badisches Tagblatt, Thomas Weiss, 1.10.2016

Spät, vielleicht allzu spät ist "Terror", das kontrovers aufgenommene Schauspiel von Ferdinand von Schirach, in Karlsruhe am dortigen Schauspiel angekommen, spielt die "Residenz des Rechts" doch eine entscheidende Rolle in dem Gerichtsdrama, das seit seiner Premiere vor einem Jahr zum erfolgreichsten und am meisten inszenierten Stück der Saison wurde ...

Die Karlsruher Inszenierung von Martin Schulze bemüht sich von Beginn an, den Spiel-Charakter des ganzen zu unterstreichen. Die Schauspieler treten in Zivilkleidung vor die Besucher des Kleinen Hauses des Staatstheaters, bis sich plötzlich die Wand hinter ihnen dreht und ein dunkel-nüchterner Gerichtssaal (Bühne und Kostüme Pia Maria Mackert) erscheint, über den in orangefarben leuchtenden Buchstaben "Im Namen des Volkes" prangt. Erst im Gerichtsaal schlüpfen die Darsteller in Talar oder Uniform.

Heisam Abbas Angeklagter Lars Koch ist ein hochintelligenter Offizier, der trotz aller Zweifel an seinem Handeln von dessen Richtigkeit überzeugt ist. Etwas steif und angespannt verteidigt er sein Handeln, während Sithembile Menck als Staatsanwältin Nelson eine Spur zu empathisch, zu sehr an Hollywood erinnernd ihre idealistisch unterfütterte Rechtsauffassung ausbreitet.

Eindringlich in ihrer kaum unterdrückten Wut und Trauer Antonia Mohr als Nebenklägerin, deren Mann zu den Opfern des Abschusses gehört. Ein bisschen gereizte Gerichtssaal-Rhetorik haben Gunnar Schmidt als etwas arroganter Vorsitzender und Klaus Cofalka-Adami als knorriger Verteidiger, der gerne den Wadenbeißer gibt, zu bieten ...

Wie sehr "Terror" für Diskussionen sorgen wird mit der zentralen Frage, in wieweit die zunehmende Terror-Bedrohung rechtsstaatliche Maßstäbe verändert oder außer Kraft setzen darf, das war nicht nur in der Theaterpause in den kontrovers geführten Diskussionen zu erleben.

Die harsche Kritik der Altliberalen Gerhart Baum und Burkhard Hirsch an dem Autor des Stückes, das am 17. Oktober als Verfilmung in der ARD mit nachfolgender multimedialer Abstimmung gesendet wird, unterstreicht dies. Es offenbart aber auch ein seltsames Verständnis von der Meinungsfreiheit mündiger Bürger und dem Wesen des Rechts. Denn es geht in "Terror" nicht um eine Abstimmung über das Grundgesetz, wie behauptetet, sondern es wird hier letztlich über eine durchaus kontrovers zu sehende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts abgestimmt, das das Grundgesetz nur auslegt hat.

Es gehört zum Wesen des Rechts in einer Demokratie, dass sich dieses wandelt, dass Rechtsauffassungen, die vor noch nicht langer Zeit als bindend galten, heute grundsätzlich anders werden. Und in einer Demokratie muss es selbstverständlich sein, dass auch über die aktuelle Rechtsprechung diskutiert werden kann.


Pforzheimer Zeitung, Rainer Wolff, 1.10.2016

 „Das höchste Recht wird höchstes Unrecht.“ Dieser Satz des antiken Denkers (und Anwalts!) Cicero verwundert, setzt er doch scheinbare Gegensätze des Rechtsempfindens in eins. Er besagt, dass das Recht, wenn es ganz und gar nach dem Buchstaben ausgeübt wird, zu Unrecht werden kann. Und eben das könnte der Fall sein in dem Gerichtsdrama „Terror“ vom Bestsellerautor und Juristen Ferdinand von Schirach, mit dem das Schauspiel des Karlsruher Staatstheaters jetzt seine neue Saison eröffnete ... 

In der Gerichtsverhandlung spielt der Autor den Fall durch und fügt dabei immer wieder auch Exkurse zu rechtsphilosophischen Ansätzen an. Das gibt dem Stück zusätzliche Tiefe. Unter dem Vorsitz eines routinierten, inhaltlich wenig befassten Richters (Gunnar Schmidt) lässt der in Karlsruhe von Martin Schulze sehr zurückhaltend inszenierte Prozess auf karger Bühne (Pia Maria Mackert) die Positionen von Pro und Contra mal in krasser Absetzung, mal aber auch in dialektischer Verschränkung aufeinanderprallen. Ein Theaterstück ist daraus nicht entstanden – und konnte wohl auch nicht entstehen, weil die Texte von Verteidigung und Anklage meist allzu papieren blieben, um szenische Wirkung zu erzielen. Eher schon ist „Terror“ eine geschickt arrangierte juristische Versuchsanordnung.

Schauspielerisch geben diese Aufsage-Rollen wenig her, und die Karlsruher Protagonisten tun gut daran, sich emotional weitgehend zurückzuhalten. Heisam Abbas ist ein nachdrücklich nüchterner Angeklagter, dessen innere Verstrickung in der Körperhaltung immerhin sichtbar wird. Sithembile Menck verströmt als Staatsanwältin kühle Intellektualität mit gelegentlichen Anflügen von Empathie, und Klaus Cofalka-Adami als Verteidiger versetzt seine moralische Strategie mit schroffem Eifer und wenig hilfreicher Zeigefingerei. Allemal liefert „Terror“ in Karlsruhe nachhaltige Denkanstöße. Der Schlussbeifall war zu Recht sehr stark.

 


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