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Badische Neueste Nachrichten, Andreas Jüttner, 10.2.2020

Wortgefechte statt Raserei. Unaufdringlich und suggestiv: Anne Bader zivilisiert Kleists „Penthesilea“ in Karlsruhe

(…) die Aufführung im Studio des Badischen Staatstheaters erzählt nicht vom verzehrenden Wahnsinn einer verbotenen Liebe, den Kleists Text obsessiv ausschmückt (…). Sondern sie konzentriert sich auf ein anderes Kernmotiv des Textes: das Dilemma von Liebenden, nie frei von den Einflüssen ihrer Umgebung zu sein. (…)

Während Kleist neben den Hauptfiguren etliche Griechen und Amazonen zu Wort kommen lässt, konzentriert sich die nur 75 Minuten dauernde Aufführung ganz auf Achill und Penthesilea. Diese treten hier nicht als Kontrahenten mit Schwert und Lanze auf, sondern als Paar, das um die Deutungshoheit über die gemeinsame Geschichte ringt. Die Textfassung (Dramaturgie: Sonja Walter) arrangiert die von Ausrufen und Widerrede durchzogenen Botenberichte und Mauerschauen des Originals bemerkenswert schlüssig zum Wortgefecht um. 

Diese zivilisatorische Domestizierung des archaischen Geschehens wird unterstrichen durch die Bühne und die Kostüme von Sylvia Rieger: Anfangs treten sich Claudia Hübschmann (Penthesilea) und Achill (Jannek Petri) wie zwei Sportler, die sich nur durch ihre Trikotfarbe unterscheiden, vor den Spinden einer Umkleidekabine gegenüber. (…) Dieser Look wiederum entspricht dem Herunterdimmen des emotionalen Extremismus von Kleists Protagonisten auf Konversationsebene. Wobei die wahre Herausforderung für heutige Zuschauer ohnehin eher in mythologisch durchtränkten Blankverse (…) liegen dürfte. Claudia Hübschmann und Jannek Petri meistern diese Hürde und machen die komplexe Beziehung zwischen ihren Figuren durchaus verständlich. Mit unaufdringlicher Vielseitigkeit zeigt Hübschmann viele Facetten, von mädchenhafter Freude über Angriffslust und Begierde bis zum entschlossenen Ausbruch aus den bisherigen Lebensregeln, die ihr das Liebesglück zerstört haben. (…)

 Beim Versuch, mit Kleists radikalem Text über die Überwindbarkeit gesellschaftlicher Prägungen nachzudenken, lässt Anne Baders Inszenierung zwar viele Aspekte des Stücks außen vor, verzichtet aber dankenswerterweise auch auf effektheischende Zutaten. Der Abend bleibt auf unspektakuläre Weise suggestiv, auch dank des Soundtracks von Matthias Schubert, der die Verunsicherung der Figuren, ob das Geschehen real ist oder nur ein Traum, auf den Zuschauer überträgt.


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