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WALKAWAY-Regisseur Eike Hannemann im Gespräch mit Nike-Marie Steinbach: Science Fiction zum Hören

Walkaway - Foto: Arno Kohlem

Nike-Marie Steinbach: Walkaway von Cory Doctorow gehört zu meinen heimlichen Lieblingsromanen. In die Hände gefallen ist er mir ganz zufällig – denn eigentlich gehört Science-Fiction nicht zu meiner üblichen Lektüre. Gefesselt hat er mich sofort, weil die Figuren in der Geschichte trotz aller Hindernisse an das Gute im Menschen und den Fortschritt der Technologie glauben und mit aller Kraft für eine bessere Welt kämpfen. Was fasziniert dich so an diesem Text?

Eike Hannemann: Im Gegensatz zu dir würde ich sagen, dass Science Fiction die wichtigste Lektüre für mich ist. Gerade die Kombination aus Wissenschaft und Fiktion ist es, die mir wichtig ist. Immer wieder suche ich dort Anregungen, Fragen und Antworten. Wie kann unsere Welt in Zukunft aussehen? Was passiert, wenn die Klimakatastrophe voranschreitet, die Entwicklung von K.I. exponentiell steigt? Welche Dinge haben wir gerade nicht auf dem Schirm? Und was heißt das für unser Zusammenleben? Cory Doctorow ist somit schon relativ lange auf meinem Radar und ich habe Walkaway mit großem Vergnügen und großer Verstörung immer wieder gelesen. Gerade weil der Roman kein dystopischer Blick in unsere Zukunft ist, sondern Utopie und Dystopie gegeneinan der antreten lässt, finde ich seine erzählte Welt so inspirierend. Negative Zukunftserzählungen gibt es zur Genüge. Ich glaube wir brauchen dringend mehr positive Geschichten.

NMS: Über 700 Seiten hat der Roman, der uns als Ausgangspunkt und Inspiration dient. Nun freuen wir uns auf die Mitwirkenden, die die Geschichte für Karlsruhe erzählen. Welche Fragen möchtest du ihnen stellen?

EH: Oha. Das werden bestimmt eine Menge sein. Aber vor allem interessiert mich: Welche Zukunft stellen sie sich vor? In welcher Zukunft wollen sie leben? Welche Zukunft macht ihnen Angst? Was überwiegt – Hoffnung oder Angst? Ist ein anderes Gesellschaftssystem überhaupt noch vorstellbar? Ist Technologie dabei Fluch oder Segen? Es werden eine Menge Fragen sein.

NMS: Eine Geschichte, die an vielen unterschiedlichen Orten spielt und in der sich zahlreiche Figuren tummeln, ist eigentlich nicht geeignet für die Bühne, denn dort befinden wir uns ja in einem einzigen Raum. Als Live-Hörspiel ist es aber möglich.

EH: Das stimmt und das ist für mich auch die große Chance dieses Formats. Da wir Hörtheater machen, sind wir nicht darauf angewiesen, alles visuell zu beglaubigen. Im Gegenteil: unsere Bühnen sind akustische, die Bilder entstehen zwischen den Ohren der Zuschauer*innen. Das klingt jetzt sehr artifiziell, ist es aber überhaupt nicht. Im Grunde genommen geht es darum, die akustischen Welten in Alltagsgegenständen neu zu entdecken. In der Chipstüte wohnt ein Lagerfeuer, ein Glas Wasser und ein Strohhalm lassen uns in den Ozean tauchen und das Knarzen eines Holzstuhl kann uns auf ein altes Segelschiff versetzen. Diese Sounds (wieder) zu entdecken ist faszinierend und gleichzeitig auch ein fast kindlicher Spaß: für die Machenden und den Zuschauenden. Ein wenig wie früher mit der Taschenlampe unter der Bettdecke.

NMS: Du hast inzwischen schon viele solcher Hörtheater-Abende gestaltet. Magst du erzählen, wie es dazu kam?

EH: Begonnen hat das kurz nach dem Studium. Stefan, ein Kommilitone von mir, hat für den WDR ein Hörspiel eingesprochen, bei dem er alle Rollen selber gesprochen hat. Er hat wirklich ein erstaunliches Talent dafür, in Bruchteilen von Sekunden in unterschiedlichste Rollen, Haltungen und Stimmen zu schlüpfen. So beschlossen wir gemeinsam mit der Dramaturgin Anita Augustin darauf aufbauend die Live-Hörspielserie Kaminski on air zu kreieren. Von da an gab es kein Halten mehr. Egal ob Faust oder Winnetou, Inszenierungen für Erwachsene oder Kinder. Immer weiter habe ich versucht die Welt aus meinen Ohren in die Fantasie der Zuschauer zu verpflanzen. An Stadttheatern, Staatstheatern, Nebenspielstätten, vor 30 Zuschauer*innen oder 700. Es erstaunt und beglückt mich immer wieder, wieviel Platz zwischen den Ohren doch ist. Walkaway wird für mich das erste Mal mit nicht-professionellen Darsteller*innen sein. Ich bin gespannt und freue mich sehr darauf.


WALKAWAY
Ein Live-Hörspiel nach dem Roman von Cory Doctorow
Premiere 10.11.23 INSEL