Gespräch mit Regisseur Jakob Weiss zur absurden Komödie HIR von Taylor Mac
Eivind Haugland: Lieber Jakob, du kehrst als Regisseur und Bühnenbildner mit der deutschsprachigen Erstaufführung der absurden Komödie Hir von Taylor Mac ans STAATSTHEATER zurück. Im Stück kommen viele brisante Themen unserer Zeit zusammen. Was hat dich am Stoff interessiert?
Jakob Weiss: Am meisten hat mich beim ersten Lesen vor allem die dysfunktionale Familienstruktur interessiert, gepaart mit den Mitteln der Komödie und darüber hinaus, wie du schon sagst, die Tatsache, dass da inhaltlich einiges zusammenkommt. So haben wir es mit einem sehr reichen Stück zu tun, das es schafft, uns etwas von der Welt zu erzählen, in der wir leben. Und das uns zum Lachen bringen kann, vielleicht sogar zum Weinen und ganz sicher zum Reflektieren. EH: Einige Themen des Stückes, wie häusliche Gewalt beziehungsweise patriarchale Unterdrückung und Kriegstraumata, sind nicht unbedingt besonders lustige Themen. Trotzdem hat Taylor Mac sie in eine absurde Komödie gepackt. Warum ist eine Komödie das richtige Genre für diese Themen?
JW: Für mich ist das Stilmittel der absurden Komödie eng verknüpft mit der künstlerischen Arbeit Taylor Macs als Drag-Performer*in und ist in bester Drag-Tradition des „Roastings“ zu verstehen, also als ironisches Parodieren harter oder unangenehmer Themen. Gleichzeitig bietet eine Komödie die Möglichkeit, mit schwierigen Verhältnissen so umzugehen, dass sie bestenfalls weniger schmerzvoll werden, weil wir gemeinsam darüber lachen können. Die schönste utopische Möglichkeit der Selbstermächtigung im Stück liegt für mich allerdings in der vollkommenen Selbstverständlichkeit der Tatsache, dass Max nun der Bruder von Isaac ist.
EH: Genau. Als das Stück beginnt, kehrt der älteste Sohn der Familie, Isaac, aus dem Afghanistan-Einsatz zurück und wird wie du sagst damit konfrontiert, dass seine Schwester Maxine sich nun als seinen Bruder Max identifiziert, also gerade ihre Transition von Frau zu Mann begonnen hat. In der Fassung stellt Taylor Mac die Forderung, dass diese Rolle von einem transmännlichen Schauspieler gespielt wird. Warum ist das wichtig?
JW: Meine ganz persönliche Überzeugung ist, dass wir als Theatermacher*innen das uns gegebene, grundsätzliche Privileg, „eine Bühne zu geben“ nutzen müssen. Das meine ich ganz generell in Bezug auf bestimmte Themen, und ganz speziell in Bezug auf Menschen und Gesellschaft. Das bedeutet in diesem Fall: Wenn es schonmal ein Stück gibt, dessen Hauptrolle für einen trans Mann geschrieben ist, dann besetzen wir diese Rolle auch mit einem trans Mann. Es bedeutet nicht, dass ich grundsätzlich daran zweifle, dass theoretisch alle alles auf der Bühne (und im Film) spielen können sollten. Aber ich zweifle daran, dass wir schon an dem Punkt sind, dass dieses „ALLE“ auch wirklich alle einschließt. Auch wenn sich momentan auf und hinter den Bühnen gerade in dieser Hinsicht vieles zum Guten verändert, sollten wir unbedingt weiter daran arbeiten, diesen Weg gemeinsam zu beschreiten. Und dafür ist ein Stück wie Hir, mit einer expliziten Besetzungsanforderung wie der von Taylor Mac, eine gute Voraussetzung.
EH: Das Stück lehnt sich an die Tradition der amerikanischen realistischen Familiendramen an. Was können wir bei deiner Umsetzung erwarten? Gerüchte sagen, dass du eine bekannte Sitcom aus den 90ern zitierst und es auch viel Musik geben wird – warum?
JW: Ich schätze die künstlerische Arbeit von Taylor Mac sehr und habe versucht, mit eigenen Mitteln dieser, und allen queeren Traditionen, die dahinterstehen, Tribut zu zollen. Will heißen, nicht nur ich, sondern das ganze künstlerische Team mit mir. Unsere Musikalische Leitung Ari Merten und die Kostümbildnerin Elena Gaus – wir haben gemeinsam versucht ein Spektakel voller popkultureller Zitate zu konzipieren. Ohne zu viel verraten zu wollen – tatsächlich zitieren wir die Serie Eine schrecklich nette Familie. Diese Sitcom stellt für mich tatsächlich das beste Klischee der amerikanischen Mittelschichtsfamilie dar. Vor diesem Hintergrund lassen sich sowohl familiäre Strukturen, als auch die Geschlechterrollen innerhalb dieser Strukturen fantastisch sezieren und parodieren. Und um das Spektakel komplett zu machen, definieren wir in unserer Inszenierung „häusliche Salonmusik“ definitiv vollkommen neu.
EH: Da freuen wir uns sehr drauf! Ab dem 14. Januar kann man Lisa Schlegel, Gunnar Schmidt, Jannik Görger und Rumo Wehrli als die Familie Connor im STUDIO erleben – bis dahin!
HIR
Absurde Komödie von Taylor Mac
Deutsch von Lisa Wegener
DEUTSCHSPRACHIGE ERSTAUFFÜHRUNG
Premiere 14.1.23 STUDIO
INFOS & TICKETS