Operndramaturg Matthias Heilmann über die Neuinszenierung "Der fliegende Holländer"
Richard Wagners Oper Der fliegende Holländer ist nicht nur ein düsteres Schauermärchen über ein Geisterschiff und einen erlösungsbedürftigen Außenseiter. Es ist ebenso das Seelendrama einer Frau, deren Liebessehnsucht die eng gesteckten Grenzen einer bürgerlichen Gesellschaft sprengt. Der damals knapp 30-jährige Komponist betitelt das Werk zwar noch ausdrücklich als „romantische Oper“ setzt aber erstmals erzählerische Leitmotive ein, die später in Tristan und Isolde oder Der Ring des Nibelungen zum Synonym für das Wagnerische Musikdrama wurden.
Die Handlung beruht auf einer alten Sage über die Gewalt der Wasserfluten und die Sehnsucht nach Ruhe und Heimat aus den Stürmen des Lebens. Seit Jahrhunderten verdammt ein Fluch den Holländer zu ruheloser Fahrt auf den Weltmeeren. Alle sieben Jahre darf er an Land – in der Hoffnung durch die Treue einer Frau erlöst zu werden. Bei einem Landgang trifft er auf den Kapitän Daland, der ihm gegen eine Geldsumme seine Tochter Senta zur Frau verspricht. In Senta scheint der rastlose Wanderer tatsächlich eine Retterin gefunden zu haben, zumal sie sehnsüchtig von einem Mann träumt, der sie aus der Enge ihres Seefahrerdorfes und der für sie vorbestimmten Ehe mit dem braven Verehrer Erik herausholt. Um den Holländer vom Schicksal der Verdammung zu erlösen, zerschlägt sie mit provozierender Unbedingtheit alle alten Bindungen.
Wagners erster musikdramatischer Wurf mit großen Arien, düsteren Balladen, mitreißenden Ensembles und markanten Chören ist ein Werk des Übergangs. Die Tradition der romantischen Oper, wie sie Anfang des 19. Jahrhunderts von Louis Spohr, Carl Maria von Weber und Heinrich Marschner geprägt wurden, ist in vielen frischen, volkstümlichen Melodien nicht zu überhören. Dennoch verweist beispielsweise der Orchesterklang, der die stürmische See nicht als Naturschilderung, sondern als Seelenbewegungen der Protagonist*innen spiegelt, eindeutig auf den Durchbruch zum eigenen, spezifischen Stil. Vor allem aber die Hinwendung zur Sage macht den Holländer zu Wagners erstem Musikdrama. Die vergebliche Suche nach Erlösung durch Liebe wird seit dem 1843 uraufgeführten Fliegenden Holländer zu Wagners Thema der Zukunft.
Bemerkenswert ist zugleich, dass die Entstehung dieser Oper einem autobiografischen Erlebnis zu verdanken ist. Der hochverschuldete Wagner musste 1839 mit seiner ersten Frau Minna aus dem ostpreußischem Pillau nach England fliehen. Eine stürmische und lebensgefährliche Fahrt über Ost- und Nordsee ließ ihn vor der norwegischen Küste stranden. In dieser Gefahr erinnerte er sich an die Holländer-Sage, die er aus einem Buch Heinrich Heines und aus mündlicher Überlieferung kannte. So wurde der Erlösungswunsch des Holländers zum Wunsch-Bild des Komponisten.
In der Karlsruher Neuproduktion wird Ludger Engels, der erstmals am BADISCHEN STAATSTHEATER inszeniert, Balladen und Lieder als tragende Elemente der romantischen Oper und die aufgewühlte See als Spiegel der Existenz in eine düstere und zugleich opulente Bildersprache übersetzen. Die musikalische Leitung übernimmt Generalmusikdirektor Georg Fritzsch.
DER FLIEGENDE HOLLÄNDER
Romantische Oper in drei Aufzügen von Richard Wagner
12. & 25.1.23; 5., 10., 28.2.23 GROSSES HAUS
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