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spiegel.de, Christoph Ruf, 8.10.2013

Was passiert mit Fußballprofis nach der Karriere? Das Badische Staatstheater interviewte Ex-Profis des KSC und fand Depressive, Alkoholkranke und Spielsüchtige. Die traurigen Biografien wurden Teil eines beeindruckenden Stückes, das nun Premiere feierte.

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Badische Neueste Nachrichten, Andreas Jüttner, 8.10.2013

Was machen Fußballer, die nicht mehr allwöchentlich in der Bundesliga antreten? Die werden ja nicht alle Trainer, Sportdirektor oder TV-Experte. Sondern sitzen auch mal im Warteraum beim Arbeitsamt und fühlen sich von allen angestarrt. Oder ziehen in ihren Heimatort zurück und finden keinen Anschluss mehr. Stellen bei der Umschulung auf einen neuen Job fest, dass ihr Körper nicht fürs Sitzen, Zuhören und Aufschreiben gemacht ist. Oder dass ihr ganzes Leben von Ehrgeiz bestimmt war, für den sie jetzt kein Ventil mehr finden. Und vor allem: Dass es nichts gibt, was dem Gefühl gleichkommt, von 30 000 Leuten gefeiert zu werden.

Für das Bühnenstück „Aus – Das Leben nach dem Spiel“ im Studio des Badischen Staatstheaters Karlsruhe, hat Regisseur Tobias Rausch, ein bundesweit gefragter Fachmann für Recherche-Projekte, einen collagehaften Text erstellt, der auf über 70 Interviews mit 57 Personen beruht. Das Recherche-Team sprach mit ehemaligen KSC-Spielern, aber auch mit Trainern, Spielerfrauen und Fans. Die Aussagen wurden anonymisiert und verdichtet, schließlich geht es hier nicht um Anekdoten und Legenden (auch wenn Valencia auf wunderbar beiläufige Weise vorkommt).

(…)

Tobias Rausch macht daraus keine Betroffenheits-Dokumentation, sondern lustvoll verspieltes Theater mit vier bestens aufgelegten Darstellern, die sowohl mannschaftsdienlich aufspielen als auch souveräne Alleingänge zeigen: Michel Brandt berichtet unter anderem als Auswechselspieler davon, wie das Nichtspielen der Normalzustand und der Einsatz die Ausnahme ist, oder wie man als gerade noch unverzichtbarer Vorsänger der Ultras durch Stadionverbot ins Abseits geraten kann. Gunnar Schmidt liefert mit der gespenstisch gezwungenen Heiterkeit eines Beinahe-Selbstmörders die wohl intensivsten Minuten des Abends, Ensemble-Neuzugang Florentine Krafft zeichnet einen Karriereweg vom Anfang bis zur Ausmusterung nach, bei dem anklingt, wie unterschiedlich die Hackordnungen in unterschiedlichen Vereinen (und Karrierephasen) sind. Und Klaus Cofalka-Adami ist quasi der Stürmer, der jede Vorlage verwandelt (…) und landet mit jedem Auftritt einen Treffer, ohne sich in den Vordergrund zu drängen.

Gelungen ist auch das Bühnenbild von Jelena Nagorni: Als Sinnbild für die aufgeheizte Stadionatmosphäre steht hier eine Wand aus Lautsprechern, die sich nach Bedarf in profane Alltagsgegenstände verwandeln – Waschmaschinen, Toiletten oder Spielautomaten, an denen ein einstiger Torjäger vergeblich den Endorphin-Kick sucht, den er einst auf dem Platz hatte. „Aus“ erzählt von persönlichen Dramen rund um den Fußball, ohne die begeisternde Energie dieses Spiels zu verleugnen. Ein Tipp für all jene Theater- und Stadiongänger, die nicht nur das sehen wollen, was sie eh schon kennen.


Rheinpfalz, Jürgen Berger, 8.10.2013

König Fußball nun auch im Badischen Staatstheater: „Aus - Das Leben nach dem Spiel“ widmet sich der Frage, was aus einstigen Fußballhelden nach der Vereinskarriere wird, am Beispiel des heimischen KSC.

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Das Rechercheprojekt entstand unter der Leitung eines Spezialisten für solche Fragen: Tobias Rausch war Mitbegründer des Berliner Theaterkollektivs „lunatiks produktion“, das sich der recherchierenden Erforschung von sozialen Bereichen widmet, deren Innenleben man nicht wirklich kennt. Im Gegensatz zu den Alltagsrechercheuren von Rimini Protokoll besetzen die Lunatiks ihre Theaterabende aber nicht mit denen, um die es geht. Ihr Recherchematerial wird (…) zu einem veritablen Theaterstück verdichtet und von Schauspielern gespielt.

In Karlsruhe sind das Florentine Krafft, Michel Brandt, Klaus Cofalka-Adami und Gunnar Schmidt. Sie stehen vor einer großen Lautsprecherwand, aus der man Elemente heraus nehmen kann. Aus der Soundbatterie wird dann flugs der Innenraum einer Dusche oder jener sich hinziehende Tunnel, durch den Fußballprofis aus der Tiefe der Katakomben ins Licht des Kicker-Ruhms schreiten – oder in den sie nach einem schlechten Spiel abtauchen.

Die Uraufführung beschäftigt sich mit der nicht so hell beleuchteten Seite des Profifußballs. Die Darsteller spielen vor allem den Schmerz des waidwunden Fußballers, der während seiner Profikarriere verhätschelt wird und nach dem Karriereknick ins Leben stolpert. Inzwischen droht das Aus ja schon mit Mitte Zwanzig. Spätestens dann sollte der Jungprofi sich nach den unzähligen Muskelfaserrissen fragen, wie das mit ihm weitergehen könnte.

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Auf der Bühne geht es um Ex-Profis, die inzwischen eine Sparkassen-Filiale oder eine Kunst-Galerie leiten. Wie viel Herzblut und Dramatik in so einem ausgeträumten Fußballerleben stecken kann, zeigen die vier KSC-Spieler vom Theater immer wieder. Dummerweise gehört Tobias Rausch aber zu den Projektmachern, die ihren Schauspielern jene inzwischen so weit verbreitete und frontal zum Publikum hin agierende Aufsagetechnik verordnen, in der Sprache zu Performancematerial wird. Manchmal ist das ganz gut, wenn nicht viel im Text steckt. In Karlsruhe aber wäre wesentlich mehr emphatisches Schauspielertheater möglich gewesen.


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