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Frankfurter Rundschau, Judith von Sternburg, 5.12.2013

„Richtfest“ (…) lockt nun im Zuge der Planungstreffen alsbald den Egoismus, die Vorurteile, die Aggression hinter der Freundlichkeit und Zugewandtheit hervor. (…), wie Hübner und Nemitz die Eskalationsstufen zünden, ist vom Feinsten. Hier der kleine Hieb gegen den Finanzbeamten und den Arzt, dann schon gegen die Homosexuellen, gegen die Mütter, gegen die Kinderlosen, gegen die Reichen und gegen die Armen.

Stichhaltig ist die Karlsruher Inszenierung aber auch, weil Regisseur Dominique Schnitzer im Bühnenbild von Christin Treunert großes Vergnügen daran zeigt, das normale Leben regieren zu lassen. Die Figuren, die man im Stück und auf der Bühne am besten wiedererkennt, glücken auch am besten in diesem Spiegelspiel.

(…)

Schonungslos darum die wahnsinnig netten Musiker, vor allem Tim Grobe als Frank, der auch ganz anders, ganz stinksauer kann. Oder das wohlhabende Paar, vor allem Ursula Grossenbacher, die hervorragend unter Kontrolle hat, wie freundlich sie sein will.


Badische Neueste Nachrichten, Michael Hübl, 30.11.2013

Da entfaltet sich eine höchst unterhaltsame, wenngleich zunehmende bittere Gesellschaftsstudie, die freilich nur halb so wirksam wäre ohne das fabelhafte Ensemble, das da antritt. Grandios wie Tim Grobe als Musikschulleiter Frank den gefühligen Menschenversteher gibt, der schon mal vorsorglich in Tränen ausbricht, denn „wir werden uns hässliche Dinge sagen oder werden sie zumindest denken und dann versöhnen wir uns wieder“. Herrlich, wie Lisa Schlegel als Birgit ihre hysterieaffine Ehefrauverzweiflung orchestriert, um bei Gelegenheit den Zickenstachel auszufahren („Ich leite eine Sozialeinrichtung“). Oder wie André Wagner als ihr Angetrauter namens Holger tastend-unbeholfen versucht, der Spießerhülle, in der er sich eingerichtet hat, ein paar Farbtupfen zu verleihen. Eindrucksvoll auch, wie sich Ursula Grossenbacher in der Rolle der PR-Frau Vera zunächst smart und gesellig gibt, um später denen, die finanziell weniger gut dastehen, zu signalisieren: Eure Armut kotzt mich an. Den pittoresken Kontrast liefert Gunnar Schmidt als ihr Ehemann (arm, aber Akademiker), der den angetrottelten Rotweinentkorker gibt, aber ausrastet, als seine Alt-68er-Ehre angetatscht wird. Matthias Lamp als Assistenzarzt Christian und Sophia Löffler als seine schwangere Frau spielen eindrucksvoll auf einer Klaviatur aus Karrierestress und Kindfixiertheit, Florentine Krafft als Judith platziert punktgenaue Pubertäts-Gemeinheiten, und auch Thomas Halle (Philipp) und Jan Andreesen (Michael) tragen zum Gelingen bei.

Und dann ist da noch Annette Büschelberger. Ungemein geschickt, wie sie zeigt, dass die Situation kippt: eben noch muntere Jung-Sechzigerin, jetzt Opfer, mit demonstrativer Betulichkeit von den anderen gemobbt. Dominique Schnizer hat das alles (kongenial unterstützt durch die Ausstattung von Christin Treunert) mit kluger Ökonomie inszeniert. Für die Akteure wird das „Richtfest“ zur moralischen Hinrichtung, für die Zuschauer zu einem herausfordernden Fest.


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