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Badisches Tagblatt, Ute Bauermeister, 23.12.2013

Das ganze Glück auf einer Spule

Oh mein Gott, ist der gealtert, durchfährt es einem unwillkürlich, als ein bleicher, weiß geschminkter Achim Thorwald auf die Bühne ja, was eigentlich: schlürft, humpelt, steif tritt? Vor kurzem machte er noch als Intendant des Badischen Staatstheaters Karlsruhe von sich reden und wirkte äußert vital und energiegeladen und nun das! Aber glücklicherweise verkörpert er ja nur eine Rolle und das wiederum gelingt ihm fast schon besorgniserregend echt.

Thorwald kehrt als Krapp auf die Studiobühne des Badischen Staatstheaters zurück. Er, der 70-Jährige gibt den 69-jährigen Krapp, der sein Leben auf Tonbändern kommentiert, seine gescheiterte und einsame Schriftstellerexistenz Jahr für Jahr auf Spulen bannt. ... Mal bruddelnd, mal staunend, mal verloren oder auch verbittert, mal einzelne Wörter nachschlagend, bietet Thorwald dem Publikum eine breite Palette an verzweifelten Gesichtsausdrücken. Ein bitteres Widerkäuen mit bedeutungsvollen Pausen.

Als Zuschauer ist man tatsächlich ein wenig froh, dass nach einer guten halben Stunde Ursula Grossenbacher diese Schwere mit einer scheinbar unbeschwert fröhlichen Quasselei beendet. Sie spielt die namenlose Frau, die nun ihren Frust ablässt, ohne Wut, aber eloquent. Peter Handke hat ihr eine Stimme verliehen und hat 2008 mit dem Monolog "Bis dass der Tag euch scheidet oder Eine Frage des Lichts" eine Antwort auf Becketts letztes Band geschrieben, ein Echo. Sie rechnet ab, mit Krapps Schweigen, seinen Pausen, seiner Unfähigkeit zum Miteinander. Und dieses beinahe beiläufige Geplauder tut zwar erstmal gut, hinterlässt aber denselben schalen Geschmack von Einsamkeit.

Die beiden sehen sich nie an. Grossenbacher spricht als Namenlose nie zu Krapp, sondern für sich, sie spricht sich das Ganze von der Seele. Thorwald spielt nicht nur den Krapp, er führt auch selbst Regie und hat Bühne und Kostüme entworfen. Sein Kostüm ist schwarz-weiß, der Bühneninnenraum, bis auf die braunen Schachteln, ebenfalls schwarz getüncht, ein Leben ohne Farben, ohne anhaltendes Glück. Durch die Reduktion wirkt jede kleine Geste, jeder noch so kurze, abschweifende Blick ganz intensiv. Die einstündige Aufführung im Studio wurde mit viel Applaus bedacht.


Badische Neueste Nachrichten, Peter Kohl, 23.12.2013

Reizvolle Kombination

Achim Thorwald, bis 2011 Generalintendant des Staatstheaters, ist ... als Regisseur und Darsteller an seine alte Wirkungsstätte zurückgekehrt. Ohne Brille, mit grauem Bart und starrem, leerem Blick, gibt er den alten Schriftsteller. Krapp ist allein, er ist erfolglos, er ist verbittert. Seine Erinnerungen hat er ausgelagert, gebannt in Tonbänder, abgelegt in die Schachteln. In einer Kladde liest er die Notiz „Schachtel 3, Spule 5“. Er stellt das schwere unhandliche Tonbandgerät auf den Tisch und hört, wie vor dreißig Jahren Selbstauskunft gegeben hat über die Fahrt auf dem Boot mit einer namenlosen Geliebten ins Schilf. Eine in wenigen Sätzen angedeutete erotische Begegnung, die der Alte dreißig Jahre später zu denunzieren versucht. (...)

Fünfzig Jahre nach der Erstaufführung des Beckett-Stückes im Jahr 1958 hat Peter Handke einen Monolog für die namenlose Geliebte geschrieben. Und natürlich fährt der Frauenversteher Handke auch dem männlichen Egozentriker Beckett in die Parade. Die Frau gibt Ursula Grossenbacher als glattes Gegenteil des früh vergreisten Krapp, quicklebendig und mit blitzenden Augen tritt sie in die ungute Stube, spielt und redet ohne Pause, lebensbejahend, ganz und gar Gegenwart. Krapp bleibt wie erstarrt an seinem Tisch sitzen, erst gegen Ende erhebt er sich. Ist die äußere Bewegung auch Ausdruck einer inneren Bewegung? Ist diese Frau „echt“ oder existiert sie nur in seiner Vorstellung? Es gibt einen schwer deutbaren Fingerzeig: Auch in den Monolog der Frau mischt sich ihre Stimme vom Tonband. Dennoch unterscheiden sich die beiden Teile des Abends, die verknappte Sprache Becketts und die Redseligkeit Handkes, das ist wie Tag und Nacht, wie Frau und Mann. Aber gerade diese offenkundige Diskrepanz in der Zusammengehörigkeit ist ja das Reizvolle an dieser Kombination, die, da mag man zu dem Handke-Text stehen wie man will, doch auch ein wenig von dem Staub wegbläst, den das Beckett-Stück mittlerweile angesetzt hat. Der Beifall bei der Premiere war lang und herzlich.


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