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Die Deutsche Bühne, Björn Hayer, 15.11.2015

Es ist eine Zeit der Widersprüche: Aufbruchs- und Untergangsstimmung zeichnen das Gefühlstableau des Paris der 20er Jahre, das just in der Uraufführung „Das kleine Schwarze / The Riot of Spring“ am Karlsruher Staatstheater noch einmal aufersteht. Nachdem die Ouvertüre mit einem von Goldregen begleiteten Walzertanz einsetzt, tönen von Ferne schon die Schüsse des ersten Weltkriegs. . .
Danach greift das Ballett wahrlich nach den Sternen. Zunächst sehen wir Coco Chanel, mit Noblesse und Feinsinn verkörpert von Bruna Andrade ... Um die (modische) Emanzipation der Frau auf die Bühne zu holen, setzt der Choreograf und Regisseur Terence Kohler auf eindringliche und klare Gesten, die umso wirkungsstärker sind ...
Nun geht das Spiel aus Liebe, Kreation und Körperlichkeit in ein bilderstarkes Spektakel des menschlichen Geistes über ... Auf die modernisierte Retrospektive folgt sodann das großartige Finale ...

Strawinsky setzt die letzte Note auf die Partitur, heftet sie an, und springt als der große Schöpfer auf den kippenden Stein. Ein solches Szenario erübrigt alle Lobesworte, welche dieser einzigartigen Inszenierung ohnehin nicht gerecht würden. Chapeau, in Karlsruhe ist ein Meisterwerk entstanden!

Lesen Sie den kompletten Artikel hier.


Badisches Tagblatt, Christiane Lenhardt, 16.11.2015

Der Aufbruch in eine neue Zeit geht am Badischen Staatstheater Karlsruhe mit Eleganz und Ausdruckskraft über die Bühne: Ein ganz besonderer Duft liegt in der Luft, wenn das Badische Staatsballett die Geburtsstunde des "Kleinen Schwarzen" der Modeikone Coco Chanel feiert und in einer reizvollen Revue mit der Schöpfung des wilden Frühlingsopfer-Balletts "Le Sacre du printemps" des Komponisten Igor Strawinsky zusammenbringt. Die Primaballerina Bruna Andrade und ihr Partner Ed Louzardo gehen als ungewöhnliches Paar eine inspirierende Liäison ein ...
In der Uraufführung des zweiteiligen Balletts "Das kleine Schwarze / The Riot of Spring" von Terence Kohler werden mit verführerischer Raffinesse, dampfender Zigarette und stampfender Urgewalt die strengen Vorkriegssitten aus dem 19. Jahrhundert hinweggefegt ...

Es steckt viel im neuen Tanzstück des aufstrebenden Choreografen aus Australien, der bei Birgit Keil in der Tanzakademie Mannheim studierte und mit der Karlsruher Compagnie seine ersten Ballette schuf. Das neue Auftragswerk für die frühe Förderin in Karlsruhe ist ambitioniert. Die vielgestaltigen Tableaus einer für die moderne Kunst und Gesellschaft maßgeblichen Zeit sind Kohlers Thema: Nicht nur neue Musik, Mode und kurze Röcke, Swing, Ausdruckstanz und heidnische Rituale - sogar eine eigene Stummfilmszene haben Kohler und das Ballett dazu gedreht. Alles wird munter gemischt, die Legenden des frühen 20. Jahrhunderts aus Musik und Ballett um die Ballets Russes unter Impressario Diaghilew und Tanzikone Nijinsky treffen sich in Paris zum Geniestreich der Tanzmoderne ...

Das … harmoniert … in der Musikauswahl: Alfred Schnittkes leichtfüßige bis abgründige Klangwelten von Filmmusiken aus der Nachkriegszeit und Strawinskys gut 40 Jahre ältere, peitschende Rhythmen aus der Vorkriegszeit verbinden sich zur choreografischen Grundlage für ein Ballett, das die Fragilität einer ausgelassen feiernden Gesellschaft am Abgrund vor Augen führt, die von tiefgreifenden Erschütterungen des Ersten Weltkriegs durchgeschüttelt wird.

Die Badische Staatskapelle unter der Leitung von Daniele Squeo treibt die "verlorenen Männer" mit Schnittkes schmissiger Walzermusik aus den Armen ihrer schicken Tanzpartnerinnen vom Ballsaal in die düstere Atmosphäre der Schützengräben - und diese eindrückliche Szene sorgt für doppelte Irritation angesichts der aktuellen Terroranschläge von Paris, wenn auf der Staatstheaterbühne im Getöse der Gewehrsalven mit den fallenden Soldaten die alte Weltordnung niedergeht.

Raumhohe Drehtüren an der Bühnenrückseite verwandeln die Schauplätze blitzschnell wie Jalousien, vor allem im mitreißenden ersten Teil des Balletts . . . Die wandelbare Bühne und die wunderbaren Kostüme schuf Jordi Roig. Kohler lässt Models und Musen defilieren. Als Kleines Fräulein & Großer Mann sind Carolin Steitz und Admill Kuyler im Swing der Zeit in der offenherzigen Salongesellschaft ein Slapstick-Paar der Extraklasse. Das Badische Staatsballett bewältigt die vielen unterschiedlichen Tanzstile, die im unterhaltsamen ersten Teil neben klassischem Spitzentanz miteinander vermischt werden, mit Bravour.

Und Nijinskys Fruchtbarkeitstänze im legendären "Sacre" obendrein ... der enormen Ensembleleistung in ausdrucksstarken Tanzbildern. Nicht nur ein "Zeitgeist" wie im ersten Teil - ein ganzes Corps de ballet baut nun zum Schluss in schwarzen Bodys als "Geister der Zeit" aus Trümmern an einer neuen Blütezeit der Kreativität.

 


BNN, Susanne Schiller, 16.11.2015

Eine üppige Themenfülle hat sich der 31-jährige Choreograf Terence Kohler vorgenommen, der seine Karriere durch die Förderung der Tanzstiftung Birgit Keil in Karlsruhe startete und nun als eines der großen Talente unter den Tanzschöpfern gilt: Chanel, Strawinsky und Nijinski spürt er in seinem jüngsten Stück nach, das er mit dem Badischen Staatsballett erarbeitet hat. Überaus geschichtsbewusst geht er seinen zweiteiligen Abend an, dem er schon in seinem Titel: „Das kleine Schwarze/the riot of spring“ eine deutliche Zäsur verleiht ... In nüchterner Atmosphäre ... (Ausstattung und Kostüme Jordi Roig) drängen der Glanz eines im Niedergang befindlichen konservativen Bürgertums, aber auch die schrille Lebenslust der Goldenen Zwanziger hervor. Kohler zieht alle Register, um diese Atmosphäre des Wandels zu beleuchten.

Umherschleichende Symbolfiguren, eine weibliche für Coco Chanel (Blythe Newman), eine männliche für Strawinsky (Pablo Dos Santos), gemahnen an eine tiefere Deutung von außerordentlicher Kreativität, die sich . . . mit der gewaltigen Tanz-Explosion des Zeitgeist-Ensembles am Ende zu der eindringlichen Sacre-Musik, die von der Badischen Staatskapelle unter Daniele Squeo mit der nötigen Intensität aus dem Orchestergraben kommt, . . . schlüssig erklärt. Bruna Andrade gibt Coco, im Zusammenspiel mit Freundin Misia Sert (Harriet Mills) als emanzipierte Femme fatale. In ihr verkörpert sich der stilistische Wechsel auf den verschiedenen inhaltlichen Ebenen am eindringlichsten ... das Finale nimmt die ekstatische, mittlerweile zeitlose Dynamik von Strawinskys „Sacre“ auf. Das Premierenpublikum feierte diesen fulminanten Abschluss.

 


FAZ, Alexandra Albrecht, 17.11.2015

Um sie [Coco Chanel] herum wirbelt eine im schwarzen Trikot steckende Tänzerin (wunderbar entspannt: Blythe Newman), die sich wild verrenkt, windet, mit ihrem Körper nach neuen Ausdrucksformen sucht und vor allem an solchen Bewegungen Gefallen findet, die gegen alle Regeln der idealen Linie verstoßen. Kohler nennt diese Figur den Geist der Zeit; mit ihr löst er sich aus dem engen Korsett der Nacherzählung und fügt eine Metaebene hinzu, die uns mit den Mitteln des Tanzes weitaus mehr über Kreativität vermittelt als das sonstige szenische Handlungsballett.


Frankfurter Rundschau, Sylvia Staude, 21.11.2015

Um die unruhigen Strömungen und künstlerischen Riesenschritte der 1910er Jahre ist es Kohler zu tun; so stellt er sowohl Chanel als auch Strawinsky einen personifizierten „Geist der Zeit“ zur Seite, eine Tänzerin oder einen Tänzer (die Besetzung wechselt), deren Aufgabe die symbolische … Begleitung der Hauptfiguren ist, aber auch der expressive choreographische Stilmix, vom Charleston bis zum Nijinsky- und Ausdruckstanz-Zitat. In der B-Premiere tanzen Blythe Newman und Pablo dos Santos die beiden Zeit-Geister und müssen eine beeindruckende Wandelbar- und Biegsamkeit beweisen …

Etwas später … wird Coco Chanel einen (leicht) skandalösen Auftritt im „kleinen Schwarzen“ haben (Bühne und Kostüme: Jordi Roig). Als so charmante wie starke Frau zeigt sie Bruna Andrade; Kohler lässt sie erfrischend burschikos, eine ihrer selbst gewisse Künstlerin der Mode sein …

Die Badische Staatskapelle spielt … unter der Leitung Daniele Squeos mit Verve auch die rhythmisch hochintrikate „Sacre du Printemps“-Musik.
Als kleines Stück im Stück ist eine „Sacre“-Essenz eingefügt, die der Originalchoreographie Nijinskys … treu zu bleiben versucht. Die herbe Fremdartigkeit, eckige Sperrigkeit der Bewegungen ist aus dem Abstand eines Jahrhunderts immer noch augenfällig … Augenfällig auch im tobenden, wirbelnden Nijinsky der unbedingte Drang eines Künstlers, die eigenen revolutionären Ideen durchzusetzen.


Eßlinger Zeitung, Angela Reinhardt, 16.11.2015

Chanel, verkörpert von der eleganten Bruna Andrade, mischt im ersten Teil zu einer Musikcolage die damalige Gesellschaft auf und macht Mode am lebenden Modell. Anstatt mit Bewegungen zu erzählen und die besondere Begabung seiner Hauptpersonen durch ihren Tanz zu zeigen, inszeniert Kohler eine Abfolge von Szenen und Bildern, in die er hübsch organisierte Divertissements hineinsetzt: einen Ball, das Revuetheater, eine Modenschau.


Stuttgarter Nachrichten, Andrea Kachelriess, 20.11.2015

Kohler interessiert sich vielmehr für die Kreativität zweier Künstler, die Neues wagten und für Skandale gut waren: Chanel, indem sie Frauenmode mit dem Entwurf des „kleinen Schwarzen“ revolutionierte. Strawinsky, indem er mit seinem „Frühlingsopfer“ das Publikum herausforderte und Musikgeschichte schrieb. Auf den Tumult, den die Premiere im Mai 1913 verursachte, spielt Kohler schon im Titel seines Strawinsky-Balletts an, indem er das Opfer („rite“) zum Aufruhr („riot“) wandelt.

Wie entsteht Kunst? Welche Rahmenbedingungen braucht, welche Opfer fordert sie? Das sind die Fragen, die den Choreografen zu diesem Abend bewegten. … Beste Voraussetzungen für einen spannenden Tanzabend

Durchaus spannend geht er auch den Aufbruch an: Er schickt Blythe Newman als „Geist der Zeit“ schon vor dem eigentlichen Beginn seines Stücks als zeitlose Widerspenstige ins Rennen, die sich mit überdehnten, zuckenden Bewegungen regelrecht aus dem Lauf der Dinge herauswindet, und stellt ihr später ein Corps Gleichgesinnter zur Seite.
… von dieser zeitlosen Schönheit ist „das kleine schwarze / the riot of spring“ … am Anfang und am Ende.

das im zweiten Teil beeindruckend dramatisch aufspielende Orchester.


BNN, Rüdiger Krohn, 19.12.2015

Fast vollständig neu besetzt präsentiert sich jetzt der doppelte Ballettabend, den Terence Kohler für die Karlsruher Compagnie schuf und der „Das kleine Schwarze“ über Coco Chanel mit dem „Riot of Spring“ bei der Skandal-Premiere von Strawinskys „Sacre du Printemps“ (1913) in lose Verbindung bringt. Sowohl die revolutionären Mode-Entwürfe Chanels aus den 20er Jahren als auch die bahnbrechende Musik Strawinskys markieren Portalwerke der Moderne, die Kohler hier mit den kreativen Impulsen von Figuren verknüpft, die als „Geist der Zeit“ den zweistündigen Abend durchziehen. Dabei überzeugt der Choreograf ... diesmal vorwiegend durch dekorative Bilder, die sich in ihrer Abfolge eher zu Stationen einer Entwicklung als zu einer erzählten Geschichte addieren ...

Im „Kleinen Schwarzen“ bringt Rafaelle Queiroz als aufmüpfige, betont körperliche Coco Chanel eine gehörige Portion exzentrischen Eigensinns ins Spiel, der seine Inspiration (in Gestalt von Pablo dos Santos) aus der zeitgenössischen Nachkriegshysterie und resoluten Aufbruchsstimmung bezieht. Dabei spart sie nicht mit provokanten Akzenten und kecken Ansätzen eines emanzipierten Selbstbewusstseins, wie sie es auch ihren Modellen vermittelt ...

Als „auserwählte Jungfrau“ in der rekonstruierten Nijinsky-Choreografie steuert Carolin Steitz eine historisch interessante, technisch anspruchsvolle Studie bei.

Das Ensemble absolviert die Ausflüge in die exaltierte Mode- und die richtungweisende Tanz-Geschichte ... mit routinierter Verlässlichkeit. Anfeuernde Impulse erfährt der ... Abend auch in seiner neuen Besetzung immer wieder durch den Dirigenten Daniele Squeo und seine spannungsreiche, am Ende schier entfesselte Darbietung der Strawinsky-Musik.


Rheinpfalz, Rüdiger Krohn, 4.12.2015

Kohlers Einrichtung beschränkt sich auf ein umsichtig arrangiertes Nebeneinander von Nijinskys ungefähr rekonstruierter Original-Choreographie des „Sacre“, Schlaglichtern auf die Ängste und Skrupel des Komponisten, dem Ed Louzardo Züge einer hoch gespannte Künstlerpersönlichkeit verleiht, und grandiosen Szenen mit dem genialischen Nijinsky, den Flavio Salamanka als virtuosen Grenzgänger zwischen Kunst und Wahnsinn porträtiert.


Tanz, Dorion Weickmann, 9.1.2016

Kohler … will … seine beiden Protagonisten porträtieren, heißt: gut aussehen lassen. Letzteres gelingt perfekt. Bruna Andrades Coco und Ed Louzardos Igor sprühen vor Eleganz und Elan ...

Dabei startet Kohler den ersten, Chanel gewidmeten Teil mit einer herrlichen Walzerszene. Arme, Beine, Halsneigungen zeichnen feinste Linien in den Raum – ein bewegtes Tableau ...


Im Finale mobilisiert Terence Kohler … sämtliche Energien und lässt seinen Strawinsky ein Heer von Schwarzkäppis dirigieren, lebendige Noten, die über eine Splitterlandschaft turnen. Großartiger Einfall, schlüssige Auflösung.


Rheinpfalz, Karl Georg Berg, 9.1.2016

Rafaelle Queiroz ist die andere Coco Chanel. Sie gibt der Rolle neben tänzerischer Brillanz einen gewinnenden Schuss trockener Eleganz und Noblesse. Ihre Ausstrahlung setzt im ersten Teil die wesentlichen Akzente. Der neue Strawinsky ist Zhi Le Xu, der seine Aufgabe sicher meistert ...
Im „Sacre“-Teil tritt als weitere wichtige Figur der legendäre Tänzer Nijinsky auf, dem nun Juliano Toscano quirliges Profil gibt. Virtuos tanzt Carolin Steitz die auserwählte Jungfrau in der Szene, die auf Nijinskys „Sacre“-Originalchoreografie von 1913 basiert.


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