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SWR 2, Marie Dominique Wetzel, 17.4.2019

Amüsantes Puppenspiel zu 70 Jahren Grundgesetz in Karlsruhe
Das Grundgesetz wird 70! Das Badische Staatstheater Karlsruhe feiert das Jubiläum mit einem Puppentheater. Das Stück „Unantastbar?“ von Regisseurin Suse Wächter entpuppt sich als amüsantes Grundgesetz-Geburtstagsvarieté, das zum Nachdenken über die Verfassung anregt. Marilyn Monroe, Sigmund Freud, selbst Gott haben ihren Auftritt als prominente Partygäste. Der Premierenabend beginnt mit Marilyn Monroe, die sich lasziv um eine Geburtstags-Schampusflasche windet. So sexy kann das Grundgesetz sein. Sie ist eine der über 70 Hand- und Stabpuppen, die die Regisseurin und Puppenspielerin Suse Wächter mit auf die Bühne des Badischen Staatstheaters gebracht hat.

Vor einem Glitzervorhang sind die Puppen wie für eine Varieté-Show im Halbrund aufgestellt. Da steht Mutter Teresa neben Mahatma Ghandi und Nelson Mandela, auch wenn diese drei dann doch nicht zu dieser Feier des Deutschen Grundgesetzes herbei bemüht werden. Dafür viele andere, die man auf so einer Geburtstagsparty eigentlich nicht erwartet hätte. Allen voran Gott, der im Grundgesetz nur im Vorwort auftaucht.
(...) Dann haben die deutschen Gartenzwerg-Puppen ihren Auftritt. Die drei Zwerge mit diesen herrlich ausdrucksstarken Gesichtern mutieren plötzlich zu den Protagonisten des Literarischen Quartetts und zerlegen in altbekannter Manier das Grundgesetzes. Wobei sie sich doch sehr wundern, dass nach der Drucklegung der Text ständig ergänzt und damit auch in seine Aussagen verändert wurde. Da wäre zum Beispiel Artikel 16, das Grundrecht auf Asyl. Gott ist nur einer der illustren Partygäste in „Unantastbar?“

Diese Szene gehört inhaltlich sicher zu den stärksten, wie auch die Frage danach, warum es eigentlich bei der Wiedervereinigung nicht zu einer Volksabstimmung über eine neue Verfassung kam. Die Stars des Abends sind auf jeden Fall die ausdrucksstarken Puppen, denen die vier Schauspieler kongenial Leben einhauchen. Allen voran der stets nörgelnde Gott, der es faustdick hinter den Ohren hat - im Ranking dicht gefolgt von Sigmund Freud. Wie er Artikel 18 auf die Couch legt, weil dieser unter Minderwertigkeitskomplexen leidet, da er noch nie angewendet wurde, ist einfach herrlich.

Die Verfassungsrichter aus Karlsruhe treten übrigens nur als Stabpuppen auf, mit scharlachroten Roben und Baretten aber ohne Gesichter. Ab und zu stellen sie unbequeme Fragen oder zitieren litaneimäßig aus Kommentaren zum Grundgesetz.
Da merkt man dann schnell: Es ist kein leichtes Unterfangen, einen Theaterabend zum Grundgesetz zu erarbeiten. Große Themen benötigen einen beherzten Zugriff, will man nicht vor Ehrfurcht erstarren. Das war glücklicherweise nicht der Fall. Es ist eine Geburtstagsfeier mit viel Unterhaltungseinlagen geworden, aber man hat durchaus auch was zum Nachdenken mit nach Hause bekommen.


BNN, Andreas Jüttner, 18.4.2019

Mit den Beatles durchs Grundgesetz
Was haben die Beatles mit dem deutschen Grundgesetz zu tun? Eigentlich nix. Andererseits lassen sich markante Artikel des Grundgesetzes durchaus mit ihren Hits illustrieren. Etwa Artikel 10 über das auch unter Eheleuten geltende Briefgeheimnis: „All my loving, I will send to you“. Oder Artikel 8 über die Versammlungsfreiheit: „You say you want a revolution, well you know, we all want to change the world.“ Oder Artikel 11 über die Freizügigkeit: „She’s got a ticket to ride“. Und, last but not least, lässt sich das Prinzip einer Verfassung als „in Rechtsform gebrachte Selbstverwirklichung der Freiheit eines Volkes“ beschreiben, wie es der SPD-Abgeordnete Carlo Schmidt 1948 getan hat, oder aber auf den kleinsten gemeinsamen Nenner bringen: „All you need is love“.
Die Beatles spielen eine große Rolle in dem Puppentheaterabend „Unantastbar?“, den die Regisseurin und Puppenspielerin Suse Wächter für das Badische Staatstheater Karlsruhe anlässlich des 70. „Geburtstag“ des Grundgesetzes am 23. Mai entwickelt hat. So erinnert die Bühne (Constanze Kümmel), die mit Figuren der Zeitgeschichte bevölkert ist, an das „Sgt. Pepper’s“-Plattencover der Beatles. (...)

Was das nun wieder mit dem Grundgesetz zu tun hat? Hm. Vielleicht soll es auf Artikel 4 verweisen, der hierzulande Bekenntnisfreiheit garantiert. Vielleicht kommt es aber auch nur vor, weil Suse Wächter die Beatles mag, der hervorragende Theatermusiker Max Braun mit an Bord ist und das Darstellerquartett (neben Wächter sind noch Lisa Schlegel, Heisam Abbas und Alexander Küsters aus dem hauseigenen Ensemble dabei) nicht nur mit Puppenspiel überzeugt, sondern auch die Beatles-Zitate so atmosphärisch und facettenreich intoniert, dass man sich davon glatt ein ganzes Konzert anhören würde.

Diese Darbietungen werden aber immer wieder unterbrochen, weil der Abend sich ja ums Grundgesetz drehen soll. Also treten auch die roten Roben des Bundesverfassungsgerichts auf. Mal erklären sie dem kleinsten der vier Zwerge den Unterschied zwischen einer Petition und einer Volksabstimmung, mal üben sie das synchrone Platznehmen, mal unterbrechen sie Gott, der als alter Herr mit Rauschebart erscheint und ausufernd darüber rätselt, ob er nun im Grundgesetz steht oder nicht.

Das Potenzial der Produktion schöpfen nur zwei Szenen aus: Wenn die vier Zwerge in markantem Reich-Ranicki-Tonfall die Verschandelung des „wundervoll bündigen Satzes“ von Artikel 16 („Politisch Verfolgte genießen Asylrecht“) zu einer „monströsen Verordnung aus 275 Wörtern“ beklagen, dann wird ein politisches Anliegen in die Form von Literaturkritik gepackt. Und wenn der „schlafende“ Artikel 18 auf Sigmund Freuds Analysecouch klagt, dass er noch nie zur Anwendung gekommen sei, wird daran erinnert, dass das Grundgesetz auch die Verwirkung von missbrauchten Grundrechten erlaubt. In diesem Fall gelingt es, dass die kabarettistische Oberfläche den Inhalt nicht banalisiert, sondern aus dem Kontrast spannende Funken schlägt. (...)

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